Im Streit um die Nutzenbewertung für bereits zugelassene Arzneimittel hat der Pharmahersteller Novartis eine Niederlage gegen den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) einstecken müssen. Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg wies am Donnerstag, 28.02.2013, einen Eilantrag ab, mit dem Novartis die Nutzenbewertung für mehrere Diabetes-Wirkstoffe stoppen wollte (AZ: L 7 KA 106/12 KL ER). Ein solcher Stopp des Bewertungsverfahrens ist nach dem Potsdamer Beschluss nicht möglich.
Hintergrund ist ein Anfang 2011 in Kraft getretenes „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes“, mit dem die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt werden sollen. Grund für diesen Kostenanstieg sind unter anderem ständig neue Arzneimittel, die für mehrere Jahre dem Patentschutz unterliegen, so dass zunächst kein Preiswettbewerb besteht. Nach dem Gesetz werden neue Medikamente daher schon bei der Zulassung einer Nutzenbewertung unterzogen. Nur wenn sich im Vergleich zu bisherigen Arzneimitteln ein Zusatznutzen ergibt, wird das neue Mittel von den Krankenkassen bezahlt.
Um weitere Sparpotenziale zu erschließen, kann der G-BA auch vor 2011 zugelassene Arznei-Wirkstoffe einer Nutzenbewertung unterziehen. Der zuständige Bundesausschuss entscheidet insgesamt über die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Er ist mit Vertretern der Krankenkassen, Ärzte und Krankenhäuser sowie nicht stimmberechtigter Patientenvertreter besetzt.
Bereits im März 2012 hatte der G-BA dem Wirkstoff Linagliptin keinen Zusatznutzen bescheinigt, weil die Hersteller die erforderlichen Nachweise nicht vollständig vorgelegt hätten. Im Juni 2012 rief er dann weitere Wirkstoffe der Gruppe der Gliptine zur Nutzenbewertung auf, die schon früher zugelassen wurden und mit Linagliptin im Wettbewerb stehen. Dies ist das erste Bewertungsverfahren aus dem „Bestandsmarkt“. Bewertet werden soll der Zusatznutzen gegenüber bestimmten, deutlich billigeren Harnstoffen bei der Therapie von Alters-Diabetes (Diabetes Typ 2).
Novartis wollte jedoch keine Unterlagen einreichen. Das Unternehmen klagte und beantragte einstweiligen Rechtsschutz. Bei einem Erfolg im Eilverfahren wäre die Nutzenbewertung voraussichtlich über Jahre bis zu einem rechtskräftigen Urteil ausgesetzt gewesen.
Um ausreichend Zeit für die Prüfung des Eilantrags zu haben, hatte das LSG Potsdam zwar zunächst die Frist für das Einreichen der Unterlagen um drei Monate bis Ende März 2013 verlängert. Nun wies es den Eilantrag jedoch ab, so dass der G-BA die Nutzenbewertung zunächst fortführen kann. Mitwirkungspflichten seien im Sozialrecht üblich. Die Arzneimittelhersteller seien dabei aber nicht verpflichtet, besonders umfangreiche und aufwendige Unterlagen einzureichen. Rechtsschutz sei daher erst gegen die abschließende Bewertungsentscheidung des G-BA möglich, entschied das LSG.
Die Begründung des LSG ist formaler Natur: Die Aufforderung, Unterlagen für die Nutzenbewertung einzureichen, sei kein sogenannter Verwaltungsakt. Eine Eilentscheidung mit aufschiebender Wirkung sei daher gar nicht möglich.
Zudem erscheine der Aufruf der Gliptine als erste Wirkstoffgruppe zur Nutzenbewertung aus dem Bestandsmarkt „jedenfalls nicht willkürlich“, ergänzten die Potsdamer Richter. Das Gesetz sehe einen Vorrang für Wirkstoffe vor, die weit verbreitet sind oder die im Wettbewerb mit bereits bewerteten Wirkstoffen stehen. Beides treffe hier zu.
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