Behinderte und kranke Menschen können sich für ihre notwendige häusliche Pflege die Kosten für einen Ruheraum ihrer angestellten Pflegekräfte vom örtlichen Sozialamt erstatten lassen. Leiste das Sozialamt entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen „Hilfe zur Pflege“, gehören nicht nur Aufwendungen der unmittelbaren Pflege dazu – wie beispielsweise Lohnkosten, urteilte am Donnerstag, 28.02.2013, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (AZ: B 8 SO 1/12 R). Mit der „Hilfe zur Pflege“ sollen grundsätzlich alle angemessenen Leistungen übernommen werden, die „notwendigerweise“ mit der häuslichen Pflege zusammenhängen, betonte der 8. Senat.
Geklagt hatte ein 40-jähriger Rollstuhlfahrer, der an einer Muskelschwunderkrankung – einer Duchenneschen Dystrophie – leidet. Der Zuhause lebende Mann hat seine erforderliche häusliche Pflege selbst organisiert. Dabei hat er mehrere Assistenzkräfte eingestellt, die ihn rund um die Uhr betreuen. Diese arbeiten in 24-Stunden-Schichten und müssen nachts den Kläger fünf- bis achtmal im Bett unterschiedlich lagern sowie drei- bis viermal eine notwendige Beatmungsmaske richten.
Das Sozialamt der Stadt Bonn finanzierte die angestellten Pflegekräfte. Dabei übernahm sie die Lohnkosten oder auch die Einarbeitungskosten für neue Mitarbeiter. Die anteiligen Kosten für den Ruhe- und Pausenraum für die Assistenzkräfte in Höhe von monatlich 204,84 € inklusive Nebenkosten wollte das Sozialamt jedoch nicht bezahlen. Nur unmittelbar erforderliche Aufwendungen wie Lohnkosten seien als „Hilfe zur Pflege zu werten. Nicht jedoch – wie der Kläger meint – mittelbare Aufwendungen für das Assistenzzimmer.
Außerdem könne der Rollstuhlfahrer statt einer einzelnen 24-Stunden-Schicht, den Einsatz der Assistenzkräfte in jeweils achtstündige Dienste einteilen. Dann sei ein Ruheraum sowieso entbehrlich. Die Pflegekräfte könnten dann während ihrer Pausen in der Küche verweilen.
Das BSG gab jedoch dem Rollstuhlfahrer dem Grunde nach recht. Das Sozialamt sei nach den gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet, alle „notwendigerweise mit der Pflege“ zusammenhängenden angemessenen Kosten zu übernehmen. Hier sei der Ruheraum zur Sicherstellung der Pflege erforderlich. Angestellte Pflegekräfte müssten bei einer Rund-um-die-Uhr-Pflege auch eine Rückzugsmöglichkeit haben.
Die Behörde dürfe auch nicht im Einzelnen vorschreiben, wie der behinderte Mensch als Arbeitgeber seine Pflege organisiert und die Pflegekräfte in die Arbeit einteilt. Andernfalls werde das Selbstbestimmungsrecht behinderter Menschen verletzt, so das BSG.
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Hallo, wie sieht das eigentlich aus, steht einer Rollstuhlfahrerin ein Rückzugszimmer zu ? Und welches amt übernimmt die kosten ?
Danke.
Gruss
Sehr geehrter Herr Schneider,
das kommt – wie im entschiedenen Fall – darauf an, ob die Rollstuhlfahrerin eine 24-h-Betreuung benötigt und deshalb ein solches Zimmer für die Pflegekräfte erforderlich ist.
Kostenträger dürfte das Sozialamt, ggfs. auch die Krankenkasse sein.
MfG
Thorsten Blaufelder