Öffentliche Arbeitgeber müssen sämtliche schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einladen, wenn diese vom Anforderungsprofil her für die Stelle infrage kommen. Auch bei sehr vielen behinderten Bewerbern und auch im Einvernehmen mit der Schwerbehindertenvertretung dürfen öffentliche Dienststellen davon nicht abrücken, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 24.01.2013 entschied (AZ: 8 AZR 188/12).
Im Streitfall hatte eine Behörde in Nordrhein-Westfalen einen Fahrer gesucht. Auf die Ausschreibung gingen 126 Bewerbungen ein, 14 Bewerber waren schwerbehindert. Die Behörde lud acht Bewerber ein, davon zwei Schwerbehinderte. An der Vorauswahl der beiden Schwerbehinderten war die Schwerbehindertenvertretung beteiligt.
Der Kläger war allerdings nicht dabei. Vom Land verlangte er nun eine Diskriminierungsentschädigung. Denn laut Gesetz sei die Behörde verpflichtet gewesen, ihn einzuladen.
Das BAG gab ihm im Grundsatz recht: Das Gesetz gebe „dem einzelnen schwerbehinderten Bewerber einen Individualanspruch auf Einladung zu einem Vorstellungsgespräch“. Soweit Bewerbern nicht offenkundig die fachliche Eignung fehlt, stehe den Behörden hier kein Ermessen zu.
Dem könnten öffentliche Arbeitgeber auch nicht entgegenhalten, durch die Vorauswahl einiger schwerbehinderter Bewerber in Zusammenarbeit mit der Schwerbehindertenvertretung sei den Belangen der Schwerbehinderten ausreichend Rechnung getragen worden. Der individuelle gesetzliche Anspruch auf eine Einladung stehe auch nicht zur Disposition der Schwerbehindertenvertretung, betonte das BAG.
Der Gesetzgeber habe allen schwerbehinderten Bewerbern die Chance geben wollen, „den Arbeitgeber in einem persönlichen Vorstellungsgespräch von ihrer Eignung zu überzeugen“, heißt es in dem Erfurter Urteil. Entsprechend hatte das BAG auch schon zugunsten eines Schwerbehinderten entschieden, der formal alle Anforderungen erfüllte, dafür aber nur schlecht benotete Zeugnisse vorlegen konnte (Urteil vom 21.07.2009, AZ: 9 AZR 431/08).
Im neuen Streitfall soll nun das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln die Höhe der Entschädigung bestimmen. In erster Instanz hatte das Arbeitsgericht eine Entschädigung von zwei Bruttomonatsgehältern festgesetzt – hier 3.728,00 €. Möglicherweise könne das LAG diesen Betrag herabsetzen, weil die Behörde immerhin zwei Schwerbehinderte eingeladen und bei deren Auswahl die Schwerbehindertenvertretung beteiligt hatte, so das BAG.
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