Behörden und Gerichte müssen auch psychisch behinderten Menschen einen möglichst barrierefreien Zugang ermöglichen. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zugunsten eines Mannes mit Autismus entschieden. Nach dem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 14.11.2013 ist es ihm nicht zumutbar, Fragen eines medizinischen Gutachters im direkten Kontakt zu beantworten (AZ: B 9 SB 5/13 B).
Der heute 37-jährige Kläger verlangt die Anerkennung eines Behinderungsgrades über 50. In seinen Schwerbehindertenausweis sollen unter anderem die „Merkzeichen“ für eine Gehbehinderung und die Notwendigkeit einer Begleitperson eingetragen werden, was mit Vergünstigungen beim Parken und bei öffentlichen Verkehrsmitteln verbunden ist.
Bei dem heute 37-Jährigen wurde Asperger-Autismus diagnostiziert, einer Krankheit, die mit Kommunikationsstörungen, Vereinzelung und teilweise auch körperlicher Ungeschicklichkeit verbunden ist. Die Sozialbehörde in Chemnitz bescheinigte einen Behinderungsgrad von 50, lehnte eine Zuerkennung der Merkzeichen aber ab.
Dagegen klagte der Mann. Zwar habe er die Klinik, in die er zur Begutachtung geladen war, wieder verlassen – aber nur, weil seine Begleitperson bei der Begutachtung nicht dabeibleiben durfte. Danach habe der Gutachter mit ihm per Telefon und mit zeitlichem Druck über das Internet kommuniziert. Dies sei angesichts seiner Krankheit nicht sinnvoll und nicht zumutbar. Andere Ärzte hätten ihm bereits bescheinigt, dass ihm der direkte Kontakt mit anderen Menschen schwerfalle. Auch für seine Gerichtsverhandlung verlangte der Mann daher eine „barrierefreie“ schriftliche Kommunikation. Das Sozialgericht und das Landessozialgericht (LSG) Chemnitz kamen dem nicht nach und wiesen die Klage ab.
Auf die Beschwerde des Behinderten hob das BSG nun das LSG-Urteil auf. Zwar müssten Behinderte bei der Feststellung ihres Behinderungsgrades mitwirken. Hier sei aber eine Mitwirkung verlangt worden, die dem Kläger wegen seiner Krankheit unzumutbar sei. Eine zumutbare Beweiserhebung habe er aber „ausdrücklich nicht abgelehnt“.
Auch bei seiner Verhandlung habe das LSG die Krankheit nicht ausreichend berücksichtigt. Ein Arzt habe dem Kläger bescheinigt gehabt, dass zur Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung nicht in der Lage ist. Das Gericht habe ihm daher andere Möglichkeiten eröffnen müssen, seine Belange angemessen zu vertreten.
Das LSG Chemnitz habe daher seine Ermittlungspflichten verletzt und seine Entscheidung nicht ausreichend begründet, entschied das BSG. Das LSG soll nun neu über die Klage entscheiden.
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Tja, das ist wieder typisch… Mit der Barierrefreiheit für Menschen mit psychischen Einschränkungen ist es noch nicht weit her….
Ämter- und Behördenangelegeheiten sind beispielweise für Menschen mit Depression nur schwer zu erledigen. Winzige Zeitfenster, die zudem fast nur morgens liegen, wogegen die Beeinträchtigung der meisten Betroffenen aber mit starken Schlafstörungen und Verschiebung des biologischen Tag – Nachrhythmus einhergeht.
Es findet bisher keine Berücksichtigung des perönlichen Handycaps statt! Sicher wäre per Absprache und Attest etwas Vereifachendes möglich.
Auch sinnvoll wäre auf Grund der eingeschränkten Belastbarkeit, eine grundsätzlich verlängerte Frist bei Rechts- und Behördenangelegenheiten. Dann bestünde höchstwahrscheilich eine realistischere Chance, Dinge zu bearbeiten bzw. beizubringen.
Auch bei Arztbesuchen ist man oftmals benachteidigt. Durch die Unmöglichkeit, morgens zu erscheinen, müßte eigentlich eine Alternative folgen, bsplw. Blutabnahme zu Hause oder Untersuchungen in KKH durchühren o.ä. Nachnittagstermin zu Vorstellungsterminen in Kliniken (insbesondere psychiatrische/psychosomatische!), ebenfalls bei Anreisen zu berücksichtigen. Leider erfolgt meistens eine Unüberbrückbarkeit, wodurch der eh schon benachteidigte Mensch Pech gehabt hat!