WC - Pipi machenToilettenfrauen sind Reinigungskräfte und keine tariflosen „Trinkgeldbewacherinnen“. Dies stellte das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg in einem am Mittwoch, 07.05.2014, verkündeten Urteil klar und verdonnerte einen Berliner Reinigungsbetrieb zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von rund 118.000,00 € (AZ: L 9 KR 384/12).

Die Potsdamer Richter legten dabei den tariflichen Mindestlohn für das Gebäudereinigerhandwerk zugrunde und nicht den an die Toilettenfrauen gezahlten viel geringeren Lohn. Die Reinigungsfirma hatte sich verpflichtet, die öffentlich zugänglichen Kundentoiletten in Warenhäusern und Einkaufszentren sauber zu halten. Bezahlt wurde sie nach eigenen Angaben von ihren Auftraggebern dafür nicht. Vielmehr finanzierte sich das Unternehmen ausschließlich über die eingenommenen Toiletten-Trinkgelder. Den Reinigungskräften wurde das Trinkgeld nicht überlassen.

Die 23 beschäftigten Toilettenfrauen erhielten von 2005 bis 2008 dagegen nur einen Stundenlohn zwischen 3,60 € und 4,50 €. Doch das war nach Auffassung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund zu wenig. Nach einer Betriebsprüfung stellte der Rentenversicherungsträger fest, dass die Toilettenfrauen als Reinigungskräfte anzusehen seien, für die der Tarifvertrag des Gebäudereinigerhandwerks gilt. Der tarifliche Mindestlohn lag im streitigen Zeitraum zwischen 7,87 Euro und 8,15 € pro Stunde. Für die Differenz zwischen gezahltem Lohn und dem Mindestlohn müsse die Reinigungsfirma 118.000,00 € an Sozialversicherungsbeiträgen nachzahlen. Das Unternehmen weigerte sich. Die Toilettenfrauen seien überwiegend „Trinkgeldteller-Bewacherinnen“ und keine Reinigungskräfte, so dass der Tarifvertrag nicht gelte. 75 Prozent ihrer Arbeitszeit müssten sie nur die freiwillig gezahlten Trinkgelder bewachen und die aufgestellten Teller regelmäßig leeren.

Die Frauen hätten dabei quasi „als Automat gehandelt“, argumentierte wenig schmeichelhaft der Arbeitgeber. Die Grundreinigung der Toiletten würde nicht von den Toilettenfrauen, sondern von einer speziell beauftragten Firma durchgeführt. Die Höhe der DRV-Forderung sei „existenzvernichtend“.

Das Sozialgericht Berlin entschied am 29.08.2012, dass eine Toilettenfrau eine Reinigungskraft bleibt, auch wenn sie vor allem Trinkgelder bewacht (AZ: S 73 KR 1505/10). Auf den zeitlichen Umfang der Reinigungstätigkeit der Toilettenfrauen komme es nicht an. So wie ein Arzt, der nachts Bereitschaftsdienst leistet, Arzt bleibe, bleibe eine Reinigungskraft, die sich zur Beseitigung neuer Verschmutzungen bereithält, eine Reinigungskraft, so die Berliner Richter. Für die Frauen gelte daher der gesetzliche Mindestlohn, für den Sozialversicherungsbeiträge fällig werden. Dem folgte nun auch das LSG. Die angestellten Toilettenfrauen seien schwerpunktmäßig Reinigungskräfte und nicht lediglich Bewacherinnen von Trinkgeld. Daher sei die Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 118.000,00 € gerechtfertigt. Es spreche zudem viel dafür, dass das Geschäftsmodell des Unternehmens als Betrug gegenüber dem Toilettennutzer und „Trinkgeldspender“ einzustufen ist. Denn dieser gehe davon aus, dass das Trinkgeld der Toilettenfrau und nicht dem Unternehmen zugutekomme, so das LSG. In einem ähnlichen Fall hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm am 15.04.2014 entschieden, dass ein Reinigungsunternehmen die von seinen beschäftigten Toilettenaufsichtspersonen eingesammelten „Trinkgelder“ auch nicht ohne Weiteres für sich vereinnahmen darf (AZ: 16 Sa 199/14 und 16 Sa 200/14). Unter Umständen könne das Trinkgeld auch den Reinigungskräften zustehen. Um dies prüfen zu können, hatte das LAG das Unternehmen zur Auskunft über die einbehaltenen Trinkgelder verpflichtet.

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