© Dan Race - Fotolia.comStändige Kurzerkrankungen eines Arbeitnehmers können eine fristlose Kündigung begründen. Allerdings müssen dann auch für die Zukunft „gravierende“ krankheitsbedingte Fehlzeiten zu erwarten und der Arbeitgeber unzumutbar wirtschaftlich belastet sein, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 23.01.2014 (AZ: 2 AZR 582/13).

Um die außerordentliche Kündigung innerhalb der gesetzlichen Zwei-Wochen-Frist aussprechen zu können, müsse der Arbeitgeber aber nicht erst warten, bis der Beschäftigte wieder krank ist. Entscheidend sei vielmehr, dass die fortbestehende Krankheitsanfälligkeit, die negative Gesundheitsprognose und die sich daraus ergebende „erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen“ noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung fortbestanden haben, so das BAG.

Im konkreten Fall war die Klägerin seit 1981 bei der Stadt Hamburg zuletzt vorwiegend als Hilfsgärtnerin halbtags auf einem Friedhof beschäftigt. Wegen ihrer langen Betriebszugehörigkeit war sie nach den tarifvertraglichen Regelungen ordentlich nicht mehr kündbar.

Zwischen den Jahren 2000 und 2011 war die Frau häufig für kurze Zeit erkrankt. Im Durchschnitt hatte sie in diesem Zeitraum jedes Jahr an 75,25 Arbeitstagen krankheitsbedingt gefehlt. Zwischen 2006 und 2011 hatte der Arbeitgeber 34.433,00 € Lohnfortzahlung geleistet.

Das war der Kommune zu viel. Sie kündigte der Frau außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30.09.2012. Die fortwährenden Kurzerkrankungen seien wirtschaftlich belastend, eine Besserung sei nicht zu erwarten. Die einzelnen wiederholten Erkrankungen seien als ein Dauertatbestand anzusehen, der eine fristlose Kündigung rechtfertige.

Die Klägerin hielt diese für unwirksam. Zum einen habe der Arbeitgeber nicht – wie gesetzlich vorgeschrieben – innerhalb von zwei Wochen gekündigt. Zum anderen seien die Erkrankungen ihres Bewegungsapparates nach mehreren Operationen nun ausgeheilt. Es fehle die negative Gesundheitsprognose.

Das BAG entschied, dass auch häufige Kurzerkrankungen als sogenannter Dauertatbestand angesehen werden können. Kündigungsgrund seien hier nicht die Erkrankungen als solche, sondern vielmehr „die negative Gesundheitsprognose und eine daraus resultierende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen“. Der Arbeitgeber könne bei einem Dauertatbestand erst dann auf eine verpasste gesetzliche Kündigungsfrist verwiesen werden, wenn die dauerhafte Krankheitsanfälligkeit seit mehr als zwei Wochen nicht mehr besteht.

Werde wegen häufiger Kurzerkrankungen eine fristlose Kündigung ausgesprochen, sei dies nur unter besonders strengen Bedingungen möglich. Die prognostizierten Fehlzeiten müssten in einem „gravierenden Missverhältnis“ zwischen Leistung und Gegenleistung stehen – beispielsweise, wenn der Arbeitgeber gegebenenfalls über Jahre hinweg erhebliche Entgeltleistungen zu erbringen hätte, „ohne dass dem eine nennenswerte Arbeitsleistung gegenüberstände“. Ein solchermaßen „sinnentleertes“ Arbeitsverhältnis sei dem Arbeitgeber nicht zumutbar, auch wenn es sich um ordentlich nicht kündbare Arbeitnehmer handelt.

In dem jetzt entschiedenen Rechtsstreit hielt das BAG die fristlose Kündigung jedoch für unwirksam. Die Fehlzeiten der Frau seien in den letzten drei Jahren vor Zugang der Kündigung deutlich auf 11,75 Wochen pro Jahr zurückgegangen, so dass nicht mehr von einem gravierenden Missverhältnis auszugehen sei. Die Stadt habe dagegen noch jährliche Fehlzeiten in Höhe von 18,81 Wochen jährlich prognostiziert.

Neben der fehlenden negativen Gesundheitsprognose müsse auch die über 30-jährige Betriebszugehörigkeit und das Alter der Klägerin von seinerzeit 52 Jahren berücksichtigt werden. Damit überwiege das Interesse der Hilfsgärtnerin am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses den Interessen des Arbeitgebers.

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