© runzelkorn - Fotolia.comDie gesetzlichen Krankenkassen müssen das teure Augen-Medikament Lucentis voll bezahlen. Sie können dabei nicht darauf bestehen, dass Ärzte eine nur für den Einmalgebrauch zugelassene Packung auf mehrere Behandlungen aufteilen, urteilte am Dienstag, 02.09.2014, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (AZ: B 1 KR 11/13 R). Die beklagte Knappschafts-Krankenkasse bezifferte die so entstehenden Mehrkosten für alle gesetzlichen Kassen auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Lucentis wird gegen die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) eingesetzt. Dies ist eine Erkrankung der Netzhaut, die zu völliger Blindheit führen kann. Betroffen sind in Deutschland ein bis vier Millionen Menschen.

Die Krankheit kann nicht geheilt werden, Medikamente wie Lucentis können sie aber aufhalten. Dabei werden die Mittel in das Auge injiziert. Ein Behandlungszyklus besteht meist aus drei solcher Spritzen. Weil die Krankheit nicht heilbar ist, muss die Behandlung wiederholt werden, wenn sich die Sehkraft wieder verschlechtert.

Gegen die AMD wird seit über zehn Jahren auch das Arzneimittel Avastin des Herstellers Roche verwendet. Es ist allerdings nur gegen Krebs, nicht aber zur Behandlung der AMD zugelassen. Trotzdem haben die Krankenkassen Behandlungen mit Avastin in der Regel akzeptiert und bezahlt.

Zugelassen ist dagegen das Novartis-Medikament Lucentis. Dessen Wirkstoff ist mit dem von Avastin verwandt. Ein Fläschchen Lucentis kostete früher über 1.500, heute immer noch weit über 1.200,00 € – 20 bis 30 Mal so viel wie Avastin. Zugelassen ist das teure Fläschchen nur „zum einmaligen Gebrauch“. Dabei würde die in einem enthaltene Menge leicht für einen Zyklus von drei Behandlungen ausreichen.

Das BSG entschied nun zunächst, dass gesetzlich Versicherte Anspruch auf Behandlung mit Lucentis haben. Das war umstritten, weil es bislang für die Augenärzte keine Abrechnungsmöglichkeit für die Injektionen gibt. Nach dem Kasseler Urteil liegt darin ein „Systemversagen“, so dass die Patienten Anspruch auf Kostenerstattung haben.

Entsprechende Gebührenziffern wird es erstmals ab Oktober 2014 geben. Bis dahin müssen die Kassen auch eine Privatbehandlung bezahlen. Sollten sie die Rechnung für überhöht halten, dürfen sie dies nicht ohne Weiteres auf die Versicherten abwälzen. Stattdessen müssen sie den Patienten anbieten, sie bei einer „Klage auf Abrechnungsminderung“ zu unterstützen, so das BSG.

Bislang und auch künftig dürfen die Krankenkassen zudem nicht verlangen, dass ein Fläschchen Lucentis auf mehrere Behandlungen eines Zyklus’ aufgeteilt wird. Hierfür sei das Medikament nicht zugelassen, betonten die Kasseler Richter. Eine solche Aufteilung sei aber mit Risiken verbunden, etwa durch Verunreinigungen. Darauf müssten sich die Patienten nicht einlassen.

Nach dem Kasseler Urteil muss die Krankenkasse die Behandlung eines inzwischen verstorbenen Mannes aus dem Rheinland voll bezahlen. Von den Gesamtkosten in Höhe von 5.770,00 € hatte die Kasse bislang nur 3.292,00 € bezahlt. Nun muss sie der Witwe auch die restlichen 2.478,00 € erstatten, entschied das BSG.

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