Eine muslimische Krankenschwester darf während der Arbeit in einem kirchlichen Krankenhaus kein islamisches Kopftuch tragen. Nichtchristliche Arbeitnehmer sind regelmäßig zur Neutralität verpflichtet, so dass die Anzeige abweichender Religionszugehörigkeiten nicht mit den arbeitsvertraglichen Pflichten zu vereinbaren ist, urteilte am Mittwoch, 24.09.2014, das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt (AZ: 5 AZR 611/12). Das im Grundgesetz geschützte kirchliche Selbstbestimmungsrecht sei hier höher zu bewerten als die Religionsfreiheit der Krankenschwester.

Konkret stand eine muslimische Krankenschwester mit ihrem Arbeitgeber, der Evangelischen Augusta-Klinik in Bochum, im Streit. Sie arbeitete seit 1996 in dem Krankenhaus. Wegen einer Schwangerschaft und Krankheit musste sie längere Zeit aussetzen. Als sie zum April 2010 wieder arbeiten wollte, stellte sie jedoch eine Bedingung: Ihre religiösen Vorstellungen hätten sich gewandelt, so dass sie nur noch mit islamischem Kopftuch ihre Arbeit verrichten könne.

Das Kopftuch würde ihre Arbeit auch nicht beeinträchtigen, meinte die Muslima. Von ihrem Arbeitgeber verlangte sie religiöse Toleranz und berief sich auf ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht und ihre Religionsfreiheit.

Die evangelische Klinik sah mit dem Tragen des islamischen Kopftuchs jedoch eine rote Linie überschritten und lehnte die Forderung der Krankenschwester ab. Laut Arbeitsvertrag und den Richtlinien der Evangelischen Kirche Deutschland seien Mitarbeiter der Kirche gegenüber zur Loyalität verpflichtet.

Dies gelte nicht nur für Kirchenangehörige, sondern auch für nichtchristliche Beschäftigte. Diese müssten den kirchlichen Auftrag beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche erfüllen. Würde man das Tragen des islamischen Kopftuchs zulassen, könnte bei Patienten und Besuchern der Eindruck entstehen, dass die Kirche ihre Glaubensgrundsätze und ihren Verkündungsauftrag nicht ernst nehme.

Ohne Kopftuch wollte die Krankenschwester aber nicht arbeiten. Dennoch verlangte sie Lohn, da sie ja ihre Arbeitskraft angeboten habe. Insgesamt sollte die Klinik über 15.000,00 € zahlen.

Vor dem BAG erschien die Krankenschwester ebenfalls mit Kopftuch. Das islamische Kopftuch sei Ausdruck ihres Glaubens, erklärte die Frau. Mit dem Kleidungsstück wolle sie auch „die weiblichen Reize vor anderen Männern“ verbergen. Sie bot zudem alternativ an, ihre Arbeit in der Klinik mit einer Nonnentracht zu verrichten.

Das BAG ließ sich darauf jedoch nicht ein. Die obersten Arbeitsrichter stellten fest, dass das Tragen eines islamischen Kopftuchs in einer kirchlichen Einrichtung „regelmäßig“ nicht zulässig sei. Es sei eine „Kundgabe einer abweichenden Religionszugehörigkeit“, die der kirchliche Arbeitgeber nicht akzeptieren müsse.

Laut den Richtlinien des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, auf die der Arbeitsvertrag der Klägerin Bezug nimmt, seien nichtchristliche Mitarbeiter zur Neutralität verpflichtet. Damit sei auch von vornherein klar, dass ein islamisches Kopftuch während der Arbeit in der Regel nicht getragen werden darf. Die kirchliche Einrichtung müsse das Kopftuchverbot auch nicht extra hervorheben, so das BAG. Wann der kirchliche Arbeitgeber Ausnahmen beim Kopftuchverbot erlauben muss – möglicherweise etwa bei Arbeiten ohne jeglichen Publikumsverkehr – ließ der 5. Senat offen.

Den konkreten Rechtsstreit verwies das BAG allerdings zum Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm zurück. Denn es sei gar nicht klar, ob die Evangelische Augusta Klinik – eine gemeinnützige GmbH – tatsächlich eine evangelische Einrichtung ist oder ob diese sich nur „evangelisch“ nennt. Das LAG müsse prüfen, inwieweit die Kirche in den Klinik-Gremien tatsächlich personell oder institutionell maßgeblichen Einfluss ausübt. Nur wenn die kirchlichen Vorstellungen in der Klinik greifen, könne sich die Einrichtung auch auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht berufen.

Unklar sei zudem, ob die Krankenschwester überhaupt arbeitsfähig war. Denn sie habe nach ihrer Krankheit einen vom Arzt erstellten Wiedereingliederungsplan vorgelegt, der auf eine fehlende Leistungsfähigkeit hindeute. In diesem Fall hätte die Klägerin gar keinen Annahmeverzugslohn verlangen können. Vielmehr wäre dann die Krankenkasse für Krankengeldzahlungen zuständig gewesen.

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