figur erleuchtungWer über 1.400 Kilometer nackt durch Großbritannien wandert, darf sich nicht über immer wieder verhängte Freiheitsstrafen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses wundern. Auch wenn das öffentliche Zurschaustellen seiner Nacktheit Ausdruck der Meinungsfreiheit und des eigenen Privatlebens sein kann, verstoßen die dagegen verhängten Strafen nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, urteilte am Dienstag, 28.10.2014, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg (AZ: 49327/11).

Die Richter wiesen damit die Beschwerde des Engländers Stephen Peter Gough zurück. Dieser wanderte 2003 und 2004 mit Rucksack und nur mit Schuhen und Socken bekleidet von Land‘s End, dem westlichsten Zipfel Englands, bis nach John o’ Groats im äußersten Nordosten Schottlands. Selbst bei Temperaturen um den Gefrierpunkt zog Gough nackt durch die Lande.

Die rund 900 Meilen (1.448 Kilometer) lange Nackt-Wandertour wiederholte er 2005 und 2006 mit seiner Freundin. In den Medien ist er als „naked rambler“ (nackter Wanderer) landesweit bekanntgeworden. Auch nach 2006 stellte Gough seine Nacktheit der Öffentlichkeit immer wieder zur Schau.

Doch die Nacktwandertouren des ehemaligen Lkw-Fahrers fanden bei Behörden wenig Verständnis. Zwischen 2003 und 2012 wurde er allein in Schottland über 30-mal wegen Nacktseins in der Öffentlichkeit verurteilt. Die Strafen wurden von Mal zu Mal härter. Insgesamt hat Gough deshalb rund sieben Jahre im Gefängnis verbracht.

Einmal wurde er sogar wegen Missachtung des Gerichts bestraft, weil er nur so wie Gott ihn schuf vor dem Richter erscheinen wollte. Ein anderes Mal wollte er nackt ein Flugzeug besteigen.

Wegen seiner Verurteilungen zog Gough vor dem EGMR. Das öffentliche Zurschaustellen seiner Nacktheit sei eine Form der Meinungsäußerung. Er wolle erreichen, dass sich die Menschen ihres Körpers mehr bewusst werden. Auch sein Recht auf Achtung seines Privatlebens werde verletzt, wenn Polizei und Gerichte ihn am Nacktwandern hindern. Die insgesamt rund siebenjährige Haftdauer sei unangemessen und einer demokratischen Gesellschaft nicht würdig.

Der EGMR urteilte, dass das Verbot, nackt in der Öffentlichkeit herumzuwandern und sich an öffentlichen Orten zur Schau zu stellen, zwar Goughs Meinungsfreiheit und sein Recht auf sein Privatleben einschränkt, dies aber hinzunehmen ist. Gough habe sich in vollem Bewusstsein gegen die geltenden Gesetze gestellt und dabei auch Haftstrafen in Kauf genommen.

Seine Meinung über das öffentliche Nacktsein und die dagegen bestehenden Gesetze hätte der Engländer auch auf vielerlei andere Hinsicht kundtun können. Sich in der Öffentlichkeit nackt zeigen, sei hierfür nicht erforderlich.

Zwar sei die insgesamt siebenjährige Haftdauer sehr lang. Allerdings setze sich diese aus immer neuen Verurteilungen und vielen kleinen Einzelstraftaten zusammen. Unverhältnismäßig sei die Haftdauer daher nicht.

Kritisch sahen die Straßburger Richter auch Goughs Forderung, mehr Toleranz ihm und seinem Verhalten gegenüber zu zeigen. Denn auch seine Mitmenschen könnten bei ihm Toleranz einfordern. Sein Verhalten könnte von anderen als anstößig empfunden werden. So widerspreche das Zurschaustellen von Nacktheit den Standards öffentlichen Verhaltens in einer modernen demokratischen Gesellschaft.

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