© runzelkorn - Fotolia.com…anderes gilt jedoch nach Ansicht des Bundessozialgerichts (BSG) bei zulässiger und gerechtfertigter Sterbehilfe in Bezug auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Das hat am Donnerstag, 04.12.2014, das BSG in Kassel zumindest für Fälle entschieden, in denen die hinterbliebene Person auch rechtlicher Betreuer war (AZ: B 2 U 18/13 R). Es setzte sich damit über den Wortlaut einer gesetzlichen Ausschlussklausel hinweg. Dieser gebe in diesem Punkt den Willen des Gesetzgebers nicht mehr wieder, erklärte der Unfallsenat des BSG zur Begründung.

Konkret gab das BSG einer Witwe aus Berlin recht. Ihr damals 63-jähriger Mann war 2006 auf dem Heimweg von der Arbeit auf dem Fahrrad von einem Motorrad angefahren worden. Er stürzte und schlug mit dem Kopf auf der Bordsteinkante auf. Wegen schwerer Hirnverletzungen viel er in ein dauerhaftes Wachkoma. Zu willkürlichen Reaktionen war er nicht mehr in der Lage. Er war vollständig auf Pflege angewiesen und wurde in einem Wachkomazentrum künstlich ernährt. Seine Ehefrau wurde zu seiner rechtlichen Betreuerin bestellt.

2010 kamen die behandelnden Ärzte zu der Überzeugung, dass sich der Gesundheitszustand des Mannes nicht mehr bessern würde. Die Ehefrau und die erwachsenen gemeinsamen Söhne waren einhellig der Überzeugung, dass der Mann unter diesen Umständen keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr wünscht. Dies habe er mehrfach so geäußert.

In Abstimmung mit der Leitung des Wachkomazentrums schnitt die Frau daher die Magensonde durch. Ihr Mann starb danach an Unterernährung.

Die Unfallkasse Berlin verweigerte danach die Zahlung von Hinterbliebenenrente und Sterbegeld. Zur Begründung verwies sie auf eine Regelung des Sozialgesetzbuchs zur Unfallversicherung. Dort heißt es: „Personen, die den Tod von Versicherten vorsätzlich herbeigeführt haben, haben keinen Anspruch auf Leistungen.“

Auch nach Überzeugung des BSG hatte die Frau den Tod ihres Mannes „vorsätzlich herbeigeführt“. Dennoch greife die Ausschlussklausel hier nicht. Sie stehe im Widerspruch zum 2009 verabschiedeten Patientenverfügungsgesetz. Der dort erklärte Wille des Gesetzgebers müsse auch im Sozialrecht ihren Niederschlag finden.

Danach sei der Wille des Mannes, in bestimmten Situationen keinen lebensverlängernden Maßnahmen ausgesetzt zu werden, schon vor seinem Unfall rechtlich geschützt gewesen. Als rechtliche Betreuerin sei die Ehefrau verpflichtet gewesen, diesem Willen Geltung zu verschaffen. Der Tod sei daher aus der Verbindung des versicherten Arbeitsunfalls mit dem schon vorher geschützten Willen des Mannes eingetreten. Der Arbeitsunfall sei daher die „rechtlich wesentliche Ursache“ für den Tod gewesen.

In einem solchen Fall „gerechtfertigter Sterbehilfe durch Behandlungsabbruch“ gelte der Leistungsausschluss daher nicht, urteilte das BSG. Grundlage für die Bewertung der Sterbehilfe ist danach das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe vom 25.06.2010 (AZ: 2 StR 454/09). Danach ist es zulässig und straffrei, wenn Angehörige, Ärzte und Betreuer eine nach dem erklärten Willen des Patienten nicht mehr gewollte Behandlung beenden.

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