LAG Baden-Württemberg: Verspätete Folgebescheinigungen wiegen weniger schwer

Beim Arbeitgeber wiederholt verspätet eingereichte Krankmeldungen müssen trotz vorheriger Abmahnung nicht zu einer Kündigung führen. Denn bei einer fortdauernden Erkrankung wiegt eine zu spät eingereichte Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit weniger schwer als eine zu spät übermittelte Bescheinigung über eine Ersterkrankung, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 08.05.2019 (AZ: 10 Sa 52/18).

Geklagt hatte ein 45-jähriger Lagerist, der wegen eines Bandscheibenleidens bereits seit Juli 2016 und damit seit über einem Jahr krankgeschrieben war. Während seiner fast zehnjährigen Beschäftigungszeit hatte er bereits zuvor eine Abmahnung wegen zu spät eingereichter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erhalten und bekam während der Bandscheiben-Erkrankung eine zweite.

Als der immer noch an der Bandscheibe erkrankte Mann gut ein halbes Jahr später erneut die Folgebescheinigung über seine noch bestehende Arbeitsunfähigkeit etwas zu spät vorlegte, erhielt er die Kündigung. Der Arbeitgeber monierte, dass der Mann seiner arbeitsvertraglichen Anzeige- und Nebenpflicht nicht ausreichend nachgekommen sei. Da er bereits in der Vergangenheit entsprechend abgemahnt worden sei, sei die ordentliche Kündigung begründet.

LAG gibt dem Arbeitnehmer Recht

Doch das LAG erklärte die Kündigung für unwirksam. Arbeitnehmer seien zwar zur pünktlichen Abgabe von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verpflichtet. Werde trotz bestehender einschlägiger Abmahnungen dagegen verstoßen, müssten sie auch regelmäßig mit der ordentlichen Kündigung rechnen.

Es müsse allerdings berücksichtigt werden, ob eine zu spät eingereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sich auf eine Ersterkrankung beziehe oder diese lediglich für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit bescheinige. Die verspätete Abgabe bei einer Ersterkrankung wiege schwerer, da hier dem Arbeitgeber die Möglichkeit genommen werde, die Arbeit wegen des gerade erkrankten Mitarbeiters umzudisponieren.

Bei einer Fortdauer der Erkrankung treffe das Fortbleiben des Arbeitnehmers den Arbeitgeber dagegen nicht mehr unvorbereitet.

Im konkreten Fall sei die Kündigung des Lageristen daher noch unverhältnismäßig. Denn diese wurde nur wegen der verspäteten Vorlage einer Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgesprochen. Zugunsten des Klägers müsse zudem berücksichtigt werden, dass er bereits seit fast zehn Jahren bei dem Arbeitgeber beschäftigt ist. Bis auf seltene Ausnahmefälle seien keine Beanstandungen erfolgt. Von einer die Kündigung rechtfertigenden „beharrlichen Pflichtverletzung“ sei bei dem Lageristen noch nicht auszugehen.

 

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