Arbeitgeber dürfen Beschäftigte wegen des begründeten Vorwurfs der nicht hinnehmbaren sexuellen Belästigung einer Mitarbeiterin vor die Alternative „Aufhebungsvertrag oder Kündigung“ stellen. Dies stellt keine widerrechtliche Drohung dar, die zur Unwirksamkeit eines dann unterschriebenen Aufhebungsvertrags führt, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 10.03.2020 (AZ: 8 Sa 40/19). Voraussetzung sei aber, dass der Arbeitgeber von der Wirksamkeit der angedrohten Kündigung ausgehen durfte.
Im konkreten Fall war der Kläger in einer Werkstatt für behinderte Menschen als „Teamfachkraft Arbeits- und Berufsförderung“ in der dortigen Metallwerkstatt beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte unter anderem die Anleitung der betreuten behinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Am 09.07.2018 konfrontierte der Geschäftsführer der Werkstatt den Mann unter Beisein eines Betriebsratsvertreters mit der „glaubhaften Zeugenaussage“ eines Kollegen. Dieser habe gesehen, wie der Kläger bei einer geistig behinderten Frau die Hand in ihre „Flatterhose“ gesteckt hatte und diese dort mehrere Minuten lang im Intimbereich habe verweilen lassen.
Der Kläger stritt in dem Gespräch die sexuelle Belästigung der behinderten Frau nicht ab. Wenn es einen Griff an die Genitalien der Frau gegeben habe, „dann nur oberflächlich“. Der Geschäftsführer stellte den Kläger daraufhin vor die Alternative, entweder einen Aufhebungsvertrag des Arbeitsvertrages zu unterschreiben oder eine arbeitgeberseitige Kündigung zu erhalten. Der Mann stimmte dem Aufhebungsvertrag zu.
Doch später wollte er seinen Job wieder zurückhaben. Der Arbeitgeber habe ihm mit der in Aussicht gestellten Kündigung „widerrechtlich gedroht“. Der Aufhebungsvertrag sei daher unwirksam. Der Mann verwies auf ein parallel eingeleitetes Strafverfahren, bei dem er vom Vorwurf der sexuellen Belästigung freigesprochen wurde. Außerdem hätte die behinderte Mitarbeiterin zu den Vorwürfen angehört werden müssen.
Doch das LAG urteilte, dass der Kläger mit der Unterschrift in dem Aufhebungsvertrag seinen Job nun los sei. Der Vertrag sei wegen einer widerrechtlichen Drohung nicht unwirksam. Nur wenn der Arbeitgeber davon ausgehen muss, dass die angedrohte Kündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit vor einem Arbeitsgericht keinen Bestand haben werde, dürfe er den Arbeitnehmer nicht mit der Drohung einer außerordentlichen Kündigungserklärung zum Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung drängen.
Die vorgeworfene sexuelle Belästigung der betreuten behinderten Frau stelle grundsätzlich auch ein Kündigungsgrund dar. Außerdem sei die Zeugenaussage des Kollegen über die Vorkommnisse glaubhaft. Die mittlerweile in psychologischer Behandlung befindliche Frau habe daher auch nicht angehört werden müssen. Der Zeuge habe von seinem „freien Blick“ auf das Geschehen berichtet und dieses unmittelbar danach anderen Beschäftigten aufgeregt mitgeteilt. Der Kläger habe im Gespräch mit dem Arbeitgeber die sexuelle Belästigung auch nicht bestritten, so das LAG. Der Aufhebungsvertrag sei daher wirksam.
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