Arbeitgeber darf Zwei-Wochen-Frist gegebenenfalls überschreiten

Die fristlose Kündigung schwerbehinderter Beschäftigter wegen Verfehlungen am Arbeitsplatz kann sich in die Länge ziehen. Auch nach Ablauf der üblichen gesetzlichen Zweiwochenfrist für eine außerordentliche Kündigung kann diese wirksam sein, wenn das Integrationsamt diese Zeit benötigt und der Arbeitgeber nach dessen Zustimmung dann „unverzüglich“ die Kündigung erteilt, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem am Dienstag, 22.09.2020, veröffentlichten Urteil (AZ: 2 AZR 442/19). Dabei dürfen die Arbeitsgerichte nicht die Einhaltung der vorgeschriebenen Frist zur Zustimmung des Integrationsamtes prüfen, sondern nur, ob der Arbeitgeber danach „unverzüglich“ die Kündigung erklärt hat, so die Erfurter Richter in ihrem Urteil vom 11.06.2020.

Der mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Kläger war seit dem Jahr 2000 als Hausmeister beschäftigt. Im Januar 2018 stellte der Arbeitgeber bei Überprüfung der Telefonrechnungen des Vorjahres Unregelmäßigkeiten fest. Danach wurde von Juni bis August 2017 vom tragbaren Diensttelefon des Mannes sowie vom Telefon eines Kollegen insgesamt 2.756 Mal während der Arbeitszeit eine kostenpflichtige Glücksspiel-Hotline angerufen.

Wegen der Erkrankungen des Klägers und des Kollegen hörte der Arbeitgeber die Männer erst am 13. und 14.03.2018 zu den Vorwürfen persönlich an, auch damit diese sich nicht absprechen können. Der Kläger bestritt die Vorwürfe.

Der Arbeitgeber zeigte auf, dass bei 109 Anrufen allein der Kläger für die Glücksspiel-Telefonate infrage komme. Er forderte von dem Mann Telefongebühren in Höhe von 1.913,00 € zurück. Außerdem bat er das Integrationsamt um Zustimmung zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund.

Die Behörde entschied darüber nicht, so dass entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen nach zwei Wochen die Zustimmung fiktiv als erteilt gilt. Kurz darauf wurden der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung über die beabsichtigte Kündigung unterrichtet. Die fristlose Kündigung erfolgte dann am 10.04.2018.

Viel zu spät und damit unwirksam, meinte der Kläger. Eine fristlose Kündigung müsse innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Arbeitgebers über die maßgeblichen Sachverhalte erklärt werden. Hier habe der Arbeitgeber bereits im Januar 2018 von den Telefon-Unregelmäßigkeiten erfahren. Außerdem seien Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung nicht korrekt angehört worden. Die Anrufe habe er ebenfalls nicht getätigt, so der Hausmeister.

LAG gab dem Kläger noch Recht

Während das Landesarbeitsgericht Düsseldorf die Kündigung für unwirksam ansah, hatte die Revision des Arbeitgebers Erfolg. Die außerordentliche Kündigung sei rechtzeitig erklärt worden, urteilte das BAG. Zwar gelte grundsätzlich für eine Kündigung eine Zweiwochenfrist ab Kenntnis der kündigungsrelevanten Umstände. Bei schwerbehinderten oder mit ihnen gleichgestellten Beschäftigten habe das Integrationsamt aber bis zu zwei Wochen Zeit, die beabsichtigte Kündigung zu prüfen. Ohne Entscheidung gelte die Zustimmung nach Ablauf der Frist als erteilt.

Die Arbeitsgerichte dürften selbst die Einhaltung der Frist des Integrationsamtes nicht prüfen, so das BAG. Dies sei letztlich Sache der Verwaltungsgerichte. Auch dürften Arbeitgeber die Entscheidung des Integrationsamtes oder den Fristablauf abwarten, müssten danach die Kündigung aber „unverzüglich“ aussprechen. Nur dies müssten dann die Arbeitsgerichte müssten beurteilen.

„Unverzüglich“ bedeute hierbei nicht „sofort“, sondern „ohne schuldhaftes Verzögern“. Dies sei hier der Fall. Der Arbeitgeber habe wegen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers und seines Kollegen mit der Anhörung zu den Vorwürfen ausnahmsweise länger als eine Woche nach Bekanntwerden der Telefonunregelmäßigkeiten warten dürfen. Denn auch ein kurzes Anhörungsgespräch während der Arbeitsunfähigkeit könne die Genesung des Beschäftigten grundsätzlich beeinträchtigen.

Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung seien zudem direkt nach fiktiver Zustimmung des Integrationsamtes über die beabsichtigte Kündigung unterrichtet worden.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf müsse aber noch prüfen, inwieweit die Täterschaft des Mannes infrage komme, die Vorwürfe einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen und ob Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung ordnungsgemäß beteiligt wurden.

 

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