LAG Nürnberg: Mitbestimmung nur bei formalisierten Gesprächen

Ein Arbeitgeber darf ohne Zustimmung des Betriebsrates mit einzelnen Arbeitnehmern „Fürsorgegespräche“ wegen ihres Krankenstandes führen. Dienen nicht formalisierte Gespräche dem Ziel, die Krankheitsursachen und die damit zusammenhängenden Arbeitsbedingungen zu klären, besteht keine Mitbestimmungspflicht, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 02.03.2021 (AZ: 7 TaBV 5/20).

Im Streitfall ging es um den Betreiber bundesweit ambulanter Nierenzentren, in denen Patienten insbesondere eine Dialyse erhalten konnten. Als ein Standort eine neue Verwaltungsleitung erhielt, prüfte diese den Krankenstand der 45 Mitarbeiter. Danach wiesen 2018 nur sechs Beschäftigte keine Fehltage auf. Sieben Mitarbeiter waren an mehr als 100 Tagen, vier Mitarbeiter an mehr als 50 und weitere vier an mehr als 30 Tagen erkrankt.

Der Arbeitgeber führte daraufhin mit insgesamt sechs Mitarbeitern „Fürsorgegespräche“ durch. Dabei sollten mögliche Zusammenhänge zwischen den Krankheitsursachen und den Arbeitsbedingungen auf den Grund gegangen werden. Zwei Mitarbeiter hüllten sich in Schweigen und teilten ihrem Arbeitgeber ihre Erkrankungen nicht mit. Mit den anderen wurde unter anderem über organisatorische Veränderungen zur Verringerung der Fehlzeiten gesprochen.

Das ging dem Betriebsrat jedoch zu weit. Er klagte auf Unterlassung der Fürsorgegespräche. Formalisierte Gespräche, in denen nach Fehl- und Krankheitstagen gefragt werde, seien mitbestimmungspflichtig.

Betriebsrat unterliegt vor Gericht

Doch der Betriebsrat hat hier keinen Unterlassungsanspruch, urteilte das LAG. Zwar würden tatsächlich formalisierte Krankengespräche der Mitbestimmung unterliegen. Dies sei der Fall, wenn die Arbeitnehmer nach abstrakten Regeln für die Gespräche ausgesucht werden, die Gespräche einem formalisierten gleichförmigen Ablauf aufweisen und es um eine betriebliche Aufklärung zur Erkennung der Arbeitseinflüsse auf den Krankenstand geht.

Hier seien aber nur fallweise Gespräche mit einem oder mehreren Mitarbeitern in unstrukturierter Form über krankheitsbedingte Ausfallzeiten und möglichen Einflüssen der Arbeit geführt worden. Es habe keine Regel gegeben, wonach die Mitarbeiter für Fürsorgegespräch ausgesucht wurden. Von den am Standort infrage kommenden 39 Mitarbeitern mit Fehlzeiten seien nur sechs ausgewählt worden. Auch seien nicht jene mit höchstem Krankenstand ausgesucht worden. Die Gespräche zielten auf das Arbeitsverhalten der Beschäftigten. Hierfür greife keine Mitbestimmung des Betriebsrates.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt ließ das LAG Nürnberg nicht zu.

Mich persönlich würde interessieren, ob den 39 Mitarbeitern auch die Durchführung eines BEM-Verfahrens angeboten wurde.

 

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