LSG München: Vorwiegend private Gründe waren für Überfall prägend

Wird der Liebhaber einer verheirateten Frau an seinem Arbeitsplatz nach einem zunächst verbalen privaten Streit Opfer einer Messerattacke durch den gehörnten Ehemann, liegt kein Arbeitsunfall vor. Auch wenn der Liebhaber die Frau während seiner beruflichen Tätigkeit als Busfahrer kennengelernt und dann eine intime Beziehung aufgebaut hat, ist dies nicht vom Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst, entschied das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in München in einem am Dienstag, 21.12.2021 veröffentlichten Urteil (AZ: L 3 U 344/17). Maßgeblich sei für einen Versicherungsschutz, ob in der Gesamtschau die beruflichen und nicht die privaten Bezüge zur Tat überwiegen.

Damit kann der heute 51-jährige klagende frühere Busfahrer keine Unfallversicherungsleistungen wegen eines Arbeitsunfalls für sich beanspruchen. Der Mann wurde Opfer einer Messerattacke durch einen gehörnten Ehemann. Der Kläger hatte ein bis zwei Monate zuvor eine sexuelles Verhältnis mit der Frau des Täters angefangen.

Diese hatte eigentlich eine „offene Ehe“ mit ihrem Ehemann vereinbart. Als sie sich mit dem Busfahrer aber einige Male in der ehelichen Wohnung getroffen hatte, hatte der Ehemann die Liaison mithilfe einer installierten Wildkamera im Garten und im Haus beobachtet. Dabei sah er unter anderem, wie das Paar Kaffee getrunken, sich geküsst und sich auch Familienfotos angesehen hatte.

Als der Ehemann seine zwölfjährige Tochter auf dem Weg zur Schule zur Bushaltestelle begleitete, erkannte er den Busfahrer als den Liebhaber seiner Frau. Um diesen später zur Rede zu stellen, ging er am 13.07.2015 um 5.15 Uhr morgens mit seiner Frau zum Busbahnhof, wo der Busfahrer zu Beginn seiner Frühschicht in seinem Fahrzeug bei geöffneter Tür stand. Als die Männer sich über die private Affäre unterhielten, zog der Ehemann plötzlich ein Messer und stach dem völlig überraschten Opfer dreimal in die Brust.

Der Täter wurde später wegen versuchten Mordes mit gefährlicher Körperverletzung zu acht Jahren Haft verurteilt. Der Mann habe aus Eifersucht gehandelt, so das Landgericht.

BG lehnt einen Arbeitsunfall ab

Die Messerattacke wollte der frühere Busfahrer von der Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anerkannt haben. Die Tat habe sich an seinem Arbeitsplatz im Bus ereignet, Fluchtmöglichkeiten habe es angesichts der örtlichen Umstände im Bus nicht gegeben. Auch habe er die Ehefrau während seiner Berufsfahrten im Bus kennengelernt. Zudem habe die Attacke auch berufliche Folgen, da er nicht mehr als Busfahrer arbeiten könne.

Doch das LSG lehnte in seinem Urteil vom 14.04.2021 die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Zwar habe der Kläger ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, hier die Messerattacke, und dadurch einen Gesundheitsschaden erlitten. Es gebe jedoch keinen ausreichenden sachlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit als Busfahrer. Hier stünden die privaten Bezüge zur Tat mehr im Vordergrund als die beruflichen. Es sei nicht „infolge“ seiner versicherten Tätigkeit zu dem Überfall gekommen.

Busfahrer hätten zwar häufige viele Personenkontakte und müssten auch mit Auseinandersetzungen während oder zu Beginn einer Fahrt rechnen. Diese stünden regelmäßig auch unter Versicherungsschutz. Hier habe der Kläger aber zunächst eine private Unterhaltung begonnen, bevor er dann wegen seiner rein privaten Beziehung mit dem Messer angegriffen wurde. Auch wenn sich der Überfall auf dem Fahrersitz und einer damit einhergehenden eingeschränkten Fluchtmöglichkeit ereignet habe, seien die privaten, unversicherten Ursachen für die Tat prägend gewesen.

Das LSG verwies in seiner Begründung zudem auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel vom 18.06.2013 und die dort aufgestellten Grundsätze (AZ: B 2 U 10/12 R). Danach sei auch eine auf dem Arbeitsweg erlittene Vergewaltigung einer Frau durch einen Bekannten kein versicherter Wegeunfall. Denn sind persönliche Motive und nicht der Arbeitsweg wesentliche Ursache für den Überfall, könnten betroffene Arbeitnehmer keinen Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung beanspruchen. Hier sei nicht der Arbeitsweg wesentlich für den „Unfall“ gewesen, prägend war vielmehr die persönliche Beziehung, so damals der 2. BSG-Senat des BSG.

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