BAG: Weg nach Hause muss wegen Verschmutzung unzumutbar sein

Zeiten für das Waschen und Duschen im Betrieb können vergütungspflichtige Arbeitszeit sein. Dies gilt zumindest dann, wenn die arbeitsbedingte Verschmutzung so groß ist, dass dem Arbeitnehmer „ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann“, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Freitag, 16.08.2024, veröffentlichten Urteil (AZ: 5 AZR 212/23).

Der Kläger ist seit Februar 2008 als Containermechaniker in einem Unternehmen im Raum Nürnberg beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte etwa das Abschleifen rostiger Container oder auch Lackierarbeiten.

Der Arbeitgeber stellte dem Mann hierfür Arbeitskleidung zur Verfügung, darunter eine Latzhose, Handschuhe, Schutzbrille und Atemmaske. Nach der eigentlichen Arbeit begibt sich der Mitarbeiter in den Umkleideraum und wäscht oder duscht sich. Für die Zeiten der Umkleide, der Körperreinigung und für den 40 Meter langen Weg zwischen Umkleide und Arbeitsstätte verlangte er Arbeitslohn. Es handele sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit, so dass ihm für den Zeitraum Januar 2017 bis April 2022 noch ein Lohnnachschlag von 25.554,00 € zustehe.

Das LAG Nürnberg gab dem Kläger mit Urteil vom 06.06.2023 im Kern recht, sprach ihm aber etwas weniger als 2.400,00 € plus Zinsen für einen Zeitraum von knapp 20 Monaten zu (AZ: 7 Sa 275/22). Ansprüche für die Zeit vor Juni 2020 seien wegen der arbeitsvertraglich vereinbarten Verfallsfrist erloschen.

Zu den Umkleidezeiten stützte sich das LAG auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt. Hier habe der Arbeitgeber das Tragen der Arbeitskleidung angeordnet und für das Umziehen einen Raum zur Verfügung gestellt. Daher gehöre es zur Arbeitszeit. Die hierfür notwendige Zeit prüfte der Vorsitzende Richter in einem „Selbstversuch“. Die ehrenamtlichen Richter stoppten übereinstimmend vier Minuten für das Anlegen der Latzhose und weiterer Arbeitskleidung. Ebenfalls vergüten muss der Arbeitgeber laut LAG die erforderlichen Wegezeiten von der Umkleide zum Arbeitsplatz und zurück.

Das BAG urteilte, dass die anfallenden Umkleide- und Duschzeiten sowie die Wege zu Arbeitsstätte vergütungspflichtige Arbeitszeit sein können. Schreibe der Arbeitgeber Arbeitskleidung vor, sei dies dem Grunde nach vergütungspflichtige Arbeitszeit. Doch auch Zeiten für die Körperreinigung im Betrieb könnten – je nach Einzelfall – als Arbeitszeit gelten. Das Waschen oder Duschen müsse hierfür „unmittelbar“ mit der eigentlichen Tätigkeit zusammenhängen und etwa aus hygienischen Gründen vorgeschrieben sein.

Die Zeit der Körperreinigung könne aber auch vergütet werden, wenn die auszuübende Arbeit mit einer so großen Verschmutzung einhergeht, dass dem Arbeitnehmer „ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann“. Allein das erforderliche Waschen, „um die übliche Verunreinigung, Schweiß- und Körpergeruchsbildung des Tages zu beseitigen, dient der Befriedigung privater Bedürfnisse“ und sei damit nicht vergütungspflichtig, so das BAG.

Den konkreten Fall verwiesen die obersten Arbeitsrichter an das LAG zurück. Dieses habe zwar zu Recht den einminütigen Weg zwischen Umkleideraum und Arbeitsstätte als vergütungspflichtige Arbeitszeit angenommen. Die Zeiten der Körperreinigung seien aber fehlerhaft bestimmt worden. So sei etwa von der Reinigung der Fingernägel ausgegangen worden, obwohl dem Kläger Handschuhe zur Verfügung gestanden haben. Auch sei der Verschmutzungsgrad nicht ausreichend bestimmt worden.

Schließlich seien die Umkleidezeiten fehlerhaft geschätzt worden. So sei etwa gar nicht unterschieden worden, welche Kleidung der Kläger im Sommer und welche er im Winter anziehen muss. Diese Fehler müsse das LAG korrigieren und einen möglichen Vergütungsanspruch neu prüfen.

 

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