Verwaltungsgericht Hamburg betont Pflicht zum Arbeitsschutz
Die für den Arbeitsschutz zuständige Aufsichtsbehörde kann Arbeitgeber zur Einführung eines Arbeitszeiterfassung verpflichten. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitszeit der Beschäftigten nur teilweise oder gar nicht erfasst wird, kann die Aufsichtsbehörde den Betrieb daraufhin überprüfen und für jeden Arbeitnehmer Belege über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit verlangen, wie das Verwaltungsgericht Hamburg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 21.08.2024 entschied (AZ: 15 K 964/24). Der Arbeitgeber könne aber frei entscheiden, welches Arbeitszeiterfassungssystem er einsetze.
Anlass des Rechtsstreits war die anonyme Beschwerde eines Mitarbeiters, der bei einem Anbieter von Outdoor-Artikeln in Hamburg beschäftigt ist. Er hatte dem Amt für Arbeitsschutz gemeldet, dass in dem Unternehmen die Beschäftigten ihre Arbeitszeiten teilweise nicht erfassen. Im Bereich Einkauf würde zudem auch sonntags gearbeitet.
Die Behörde nahm daraufhin eine unangekündigte Betriebsbesichtigung vor und befragte die Mitarbeiter. Danach arbeiteten etwa ein Drittel im Rahmen von Vertrauensarbeitszeit, teilweise auch im Homeoffice, ohne ihre Arbeitszeiten zu erfassen.
Die Arbeitsschutzbehörde ordnete daraufhin die Vorlage der Arbeitszeitnachweise aller Mitarbeiter für den Standort Hamburg für die Monate März bis September 2023 an. Zugleich wurde der Arbeitgeber verpflichtet, künftig die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten aller Beschäftigten nachvollziehbar aufzuzeichnen. Dazu gehören nach einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt mindestens der tägliche Beginn, das Ende und die Dauer der täglichen Arbeitszeit (AZ: 1 ABR 22/21; Beschluss vom 13.09.2022).
Die obersten Arbeitsrichter hatten damals entschieden, dass die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) am 14.05.2019 (AZ: C-55/18) ausgeurteilte Pflicht der Arbeitgeber zur Arbeitszeiterfassung auch in Deutschland unmittelbar gilt. Das Arbeitsschutzgesetz könne entsprechend EU-konform ausgelegt werden.
Im aktuellen Fall hatte der klagende Arbeitgeber keine gesetzliche Grundlage für die Arbeitszeiterfassung gesehen. Nach dem EuGH-Urteil habe der deutsche Gesetzgeber eine entsprechende Verpflichtung nur für die Fleischwirtschaft durchsetzen wollen.
Das Verwaltungsgericht urteilte, dass die Arbeitsschutzbehörde die Vorlage der Arbeitszeitaufzeichnungen aller Beschäftigten für die Monate März bis September 2023 sowie die Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems anordnen dürfe. Allerdings sei es nicht erlaubt, dass die Behörde einen Arbeitgeber mit der Prüfung allgemein und ungezielt „ausforscht“. Anlässe könnten es aber aus Betriebsprüfungen oder anonymen Hinweisen ergeben.
Die Prüfung der Arbeitszeiten diene dem Arbeitsschutz, betonte das Verwaltungsgericht. Sie solle sicherstellen, dass die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten eingehalten werden. Dass das Arbeitszeitgesetz dies nur für die Fleischwirtschaft vorsehe, wie der Arbeitgeber meinte, sei aus dem Gesetzeswortlaut nicht ersichtlich.
Die Klägerin habe gegen ihre Dokumentationspflicht verstoßen. Nach der BAG-Rechtsprechung sei sie verpflichtet, ein Zeiterfassungssystem einzuführen. Allerdings habe die Klägerin einen weiten Gestaltungsspielraum, wie die Arbeitszeitaufzeichnungen konkret zu erfolgen sind.
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