Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können bei einer absehbaren Arbeitsunfähigkeit wegen einer privat finanzierten Operation nicht darauf vertrauen, dass sie von ihrem Arbeitgeber Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verlangen können. Nur wenn sie belegen können, dass die Operation medizinisch erforderlich war, ist der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet, stellte das Arbeitsgericht Suhl in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 14.10.2024 klar (AZ: 6 Ca 398/24). In diesem Fall sei eine durch eine Operation absehbar verursachte Arbeitsunfähigkeit als nicht vom Arbeitnehmer verschuldet anzusehen.
Die 1964 geborene Klägerin ist als Pflegefachkraft beschäftigt. Seit ihrem zwölften Lebensjahr trägt sie wegen einer Hornhautverkrümmung eine Brille. Bis zum Jahr 2013 war sie in augenärztlicher Behandlung. Seither haben sich ihre Augen verschlechtert. Sie klagte über brennende Augen, Kopfschmerzen, eine Lichtempfindlichkeit und eine verstärkte Nachtblindheit.
Nach einer Beratung entschloss sie sich zu einer Augenoperation, bei der ihr sogenannte Trifokallinsen in beide Augen eingesetzt werden sollten. Der Eingriff wird von den gesetzlichen Krankenkassen nicht bezahlt. Die Hausärztin schrieb die Frau wegen des bevorstehenden Eingriffs vom 27.11.2023 bis einschließlich 29.12.2023 arbeitsunfähig krank.
Ihr Arbeitgeber zahlte zwar zunächst die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 2.970,00 €, zog diesen Betrag jedoch im Januar 2024 wieder vom Gehalt ab. Es habe sich um eine private Operation aus ästhetischen Gründen gehandelt. Medizinisch sei die Augen-OP nicht notwendig gewesen. Ob die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Hausärztin korrekt sei, sei zweifelhaft, da kein Facharzt diese ausgestellt habe. Die Arbeitsunfähigkeit habe die Pflegefachkraft durch die OP selbst verschuldet, so dass keine Entgeltfortzahlung verlangt werden könne.
Das Arbeitsgericht gab der Klägerin nur teilweise recht. Die Klägerin habe ihre Arbeitsunfähigkeit durch die absehbare Operation selbst verschuldet. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch bestehe in einem solchen Fall nur dann, wenn „eine gewisse Notwendigkeit der Operation vorgelegen hat“. Nur weil eine private, nicht von den Krankenkassen übernommene Operation durchgeführt werde, sei die medizinische Notwendigkeit des Eingriffs aber nicht zwingend ausgeschlossen.
Andererseits könne allein eine Hornhautverkrümmung die medizinische Indikation für die OP nicht begründen, zumal die Klägerin seit 2013 nicht mehr in augenärztlicher Behandlung gewesen sei. Sie habe nicht belegt, dass die Augen-OP tatsächlich medizinisch indiziert gewesen sei. Danach stehe ihr keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu.
Allerdings habe der Arbeitgeber im Januar 2024 zu Unrecht den streitigen Betrag in Höhe von 2.970,00 € mit dem Januargehalt verrechnet. Dies sei hier nur im Rahmen der Pfändungsfreigrenzen erlaubt. Im Streitfall dürfe eine Aufrechnung nur in Höhe von rund 780,00 € erfolgen. Die verbleibenden 2.190,00 € müsse der Arbeitgeber daher noch an die Klägerin zahlen.
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