„Verlängern“ Arbeitnehmer ihren Urlaub ohne eigenes Verschulden um fast drei Monate, kann dennoch eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber unwirksam sein. Denn ist es dem Arbeitnehmer wegen eines im Urlaub gestohlenen Aufenthaltstitels zunächst nicht möglich, wieder in Deutschland einzureisen, und stellt die Abwesenheit vom Arbeitsplatz keine „Störung des Betriebsablaufs“ dar, kann es an der sozialen Rechtfertigung für die Kündigung fehlen, entschied das Arbeitsgericht Herne in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 08.05.2025 (AZ: 4 Ca 208/25).

Der heute 34-jährige Kläger ist seit August 2019 als Logistikarbeiter/Be- und Entlader in einem internationalen Paketlogistikunternehmen beschäftigt. Sein Arbeitgeber gewährte ihm vom 16.09.2024 bis 25.10.2024 Urlaub. Der Arbeitnehmer reiste daraufhin über Äthiopien in seine Heimat nach Somalia. Als er am 26.10.2024, einem Samstag, wieder nach Deutschland mit dem zuvor gebuchten Flug zurückfliegen wollte, war dies nicht möglich. Dem 34-Jährigen hatte man die Papiere mitsamt Aufenthaltstitel gestohlen.

Den Diebstahl meldete er der Polizei. Er wandte sich zudem an die Deutsche Botschaft, um ein Visum zur Einreise nach Deutschland zu erhalten. Dort wurde ihm zunächst mitgeteilt, dass er über eine Agentur einen Termin buchen müsse. Diesen erhielt er am 21.11.2024, knapp einen Monat später. Erst am 31.01.2025 hatte ein Botschaftsmitarbeiter mitgeteilt, dass das Visum nun fertig sei. Am 04.02.2025 konnte der Arbeitnehmer mit dem nächstmöglichen Flug zurückkehren.

Zwischenzeitlich hatte er mehrfach erfolglos telefonisch und per E-Mail versucht, seinen Arbeitgeber persönlich über seine missliche Situation zu informieren. Ein Mitbewohner des 34-Jährigen hatte den Arbeitgeber am 28.10.2024 noch in gebrochenem Deutsch mitgeteilt, dass der Kläger nicht zur Arbeit kommen könne.

Der Arbeitgeber erteilte dem Kläger wegen des Fernbleibens vom Arbeitsplatz zunächst zwei Abmahnungen und sprach dann zum 31.03.2025 die ordentliche Kündigung aus.

Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und verlangte die Weiterbeschäftigung.

Das Arbeitsgericht gab dem Mann recht. Die ordentliche Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt. Im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung gebe es keine „absoluten Kündigungsgründe“. Es müssten vielmehr immer die Besonderheiten des Einzelfalls geprüft und die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander abgewogen werden.

Allerdings könne nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ein unentschuldigtes Fehlen eine ordentliche oder gar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Jedoch könne die Kündigung ungerechtfertigt sein, wenn dem Arbeitnehmer das Fernbleiben vom Arbeitsplatz nicht vorgeworfen werden könne und er dieses auch nicht verhindern konnte.

Dies sei bei dem Kläger der Fall. Denn er konnte ohne eigenes Verschulden bis zur Ersatzbeschaffung seiner Reisepapiere nicht nach Deutschland zurückkehren. Der Arbeitgeber habe auch nicht dargelegt, dass das Fernbleiben des Klägers vom Arbeitsplatz zu konkreten betrieblichen Ablaufstörungen geführt habe. Erst wenn diese „deutlich länger“ als drei Monate dauerten, könne eine Kündigung greifen.

Zwar sei ein Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsverhinderung zu melden. Dies habe der Kläger aber mehrfach versucht und dies unter anderem durch die Vorlage von E-Mails belegen können.

 

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