Ambulante Pflegedienstmitarbeiter dürfen zinslose Darlehen von Patienten grundsätzlich nicht entgegennehmen. Anderenfalls kann der Arbeitgeber ihnen wegen der erhaltenen Vergünstigung fristlos kündigen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 20.12.2018 (AZ: 18 Sa 941/18).

Die Arbeitsrichter verwiesen im konkreten Rechtsstreit auf den Bundes-Angestelltentarifvertrag für Angestellte im Bereich der evangelischen Kirche von Westfalen (BAT-KF), der die Annahme von „Belohnungen, Geschenken, Provisionen oder sonstige Vergünstigungen in Bezug auf ihre Tätigkeit“ grundsätzlich verbietet. Ähnliche Regelungen gibt es auch im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD).

Die Klägerin im konkreten Fall arbeitete als Krankenschwester für einen ambulanten Pflegedienst. Laut Arbeitsvertrag vom 07.02.2018 galt der BAT-KF. Danach ist nicht nur die Annahme von Geschenken oder sonstigen Vergünstigungen in Bezug auf ihre Tätigkeit von Dritten verboten. Sie müssen solch ein Angebot eines Dritten „unverzüglich“ ihrem Arbeitgeber mitteilen. Nur mit Zustimmung des Arbeitgebers darf ausnahmsweise ein Geschenk angenommen werden.

Daran hatte sich die Krankenschwester aber nicht gehalten. Da ihr Ehemann sie in Deutschland besucht hatte und die Rechnung für einen Krankenhausaufenthalt nicht bezahlen konnte, geriet die Frau in finanzielle Bedrängnis. Von einer Patientin erhielt sie daraufhin ein zinsloses Darlehen in Höhe von 800,00 €.

Daraufhin war das Konto der Patientin nicht mehr gedeckt, so dass ihre Kinder keine Einkäufe davon tätigen konnten. Die Tochter der Patientin warf der Krankenschwester vor, sich das Geld von ihrer Mutter „erschlichen“ zu haben. Im Nachhinein wurde ein schriftlicher Darlehensvertrag aufgesetzt, wonach die Pflegekraft das zinslose Darlehen in 50,00 €-Raten zurückzahlen sollte.

Doch auch die Pflegedienstleitung wurde informiert. Der Arbeitgeber kündigte der Krankenschwester wegen der Annahme des zinslosen Darlehens fristlos. Außerdem habe die Frau nicht über die Vergünstigung informiert.

Ohne Erfolg verwies die Krankenschwester darauf, dass doch kein Schaden entstanden sei und sie das Darlehen zurückzahlen werde.

LAG gibt dem Arbeitgeber Recht

Das LAG bestätigte die fristlose Kündigung. Die Krankenschwester habe mit dem zinslosen Darlehen einen wirtschaftlichen Vorteil erhalten. Mit der Annahme des Darlehens habe sie gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Das Verbot, Vergünstigungen in Bezug auf die dienstliche Tätigkeit anzunehmen, habe auch einen guten Grund. Denn Mitarbeiter sollen so nicht in Versuchung geführt werden, „das Arbeitsverhältnis missbräuchlich auszunutzen, um sich über die Entgeltzahlung hinaus von Dritten wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen“.

Auch könnte das Ansehen des Arbeitgebers geschädigt werden. Patienten könnten den Eindruck erhalten, dass eine gewissenhafte Arbeit nur mit zusätzlichen Zuwendungen erreicht werde. Die Krankenschwester habe zudem dem Arbeitgeber das Anbieten der Vergünstigung verschwiegen, was ebenfalls eine Pflichtverletzung darstelle.

Dass die Frau wegen der Krankenhausrechnung das Geld benötigt hatte, spiele keine Rolle. Das Darlehen in Höhe von 800,00 € gehe auch „weit über dasjenige hinaus, was als übliches Gelegenheitsgeschenk anzusehen wäre“. Die Geldzuwendung habe zudem zu „massiven Irritationen“ der Angehörigen geführt.

Die fristlose Kündigung sei daher gerechtfertigt, eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich, urteilte das LAG Hamm.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte bereits am 17.06.2003 geurteilt, dass eine Pflegekraft eines ambulanten Dienstes wegen der Annahme einer Erbschaft gekündigt werden kann (AZ: 2 AZR 62/02). Im konkreten Rechtsstreit hatte die Pflegekraft gegen die Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie verstoßen, die die Annahme von Vergünstigungen, die den Empfänger „bereichert“, verbietet.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hatte am 12.05.2015 entschieden, dass Mitarbeiter oder die Leitung eines ambulanten Pflegedienstes ohnehin nicht problemlos eine Erbschaft antreten können (AZ: 21 W 67/14). Ein entsprechendes Erbversprechen ist danach nur wirksam, wenn das Pflegedienstpersonal nachweisen kann, dass die Erbeinsetzung nichts mit der Erfüllung der Pflichten aus dem Pflegevertrag zu tun hat. Das OLG entschied hier nach den hessischen Regelungen, die die Annahme von Geld oder Geschenken grundsätzlich verbieten. „Geringwertige Aufmerksamkeiten“ sind danach aber erlaubt.

 

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