LAG Hannover: Keine Überstundenvergütung durch EuGH-Urteil

In Betrieben mit Arbeitszeiterfassung können Arbeitnehmer sich nicht eigenständig eine Überstundenvergütung verschaffen. Denn die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorgegebene Erfassungspflicht führt nicht automatisch auch zur Vergütung der erfassten Stunden, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen in einem Urteil entschied (AZ: 5 Sa 1292/20).

Der Kläger war Auslieferungsfahrer eines Einzelhändlers im Raum Emden. 2019 hatte er gekündigt und verlangte noch 6.388,00 € für Überstunden. Nach der betrieblichen Arbeitszeiterfassung seien 348 Arbeitsstunden noch nicht vergütet, hinzu kämen noch nicht erfasste Wegezeiten.

Das Arbeitsgericht Emden hatte dem unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stattgegeben. Am 14.05.2019 hatten die Luxemburger Richter entschieden, dass Arbeitgeber – mit wenigen Ausnahmen – die gesamten Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten erfassen müssen (AZ: C-55/18).

Das LAG Hannover hob diese Entscheidung nun auf. Mit ihrem Urteil vom 06.06.2021 stellte das LAG klar, dass die erfasste Arbeitszeit nicht automatisch auch zu einem Vergütungsanspruch führt. Der EuGH habe gar nicht die Kompetenz, über Fragen der Arbeitsvergütung zu entscheiden.

Bezüglich der Überstunden würden weiter die bekannten und tradierten Grundsätze gelten. Ein Anspruch auf Überstundenvergütung bestehe danach nur, wenn die Mehrarbeit auch dem Arbeitgeber zugerechnet werden könne. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssten sie daher angeordnet, gebilligt oder geduldet worden sein, oder sie müssen notwendig gewesen sein, um die zugewiesene Arbeit zu erledigen (so grundlegend BAG-Urteil vom 10.04.2013). Diese Rechtsprechung habe das BAG auch nach dem Luxemburger Arbeitszeit-Urteil nicht aufgegeben (Urteil vom 26.07.2019, AZ: 5 AZR 452/18).

Der EuGH habe sein Urteil vom Mai allein auf die EU-Arbeitszeitrichtlinie gestützt. Diese begrenze zwar im Interesse des Arbeits- und Gesundheitsschutzes die Höchstarbeitszeit, regele aber keine Vergütungsfragen. Laut EU-Vertrag habe der EuGH auch gar nicht die Kompetenz, über die Vergütung zu entscheiden.

Im Fall des Auslieferungsfahrers unterstellte das LAG, dass er die erfassten Arbeitsstunden tatsächlich geleistet hat. Der Arbeitgeber habe die Erfassungsbögen aber nicht gegengezeichnet oder die dort enthaltenen Überstunden anderweitig gebilligt.

Auch dass die Mehrarbeit notwendig war, habe der Auslieferungsfahrer nicht darlegen können. Vielmehr sei es naheliegend, dass die erfassten Zeiten auch Pausen enthalten. Denn der Fahrer habe nur den Beginn und das Ende seiner Arbeitszeit erfassen können, unterwegs aber nicht die Pausen.

Der Kläger hat hiergegen bereits Revision eingelegt (AZ: 5 AZR 359/21).

 

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