Bewerber um einen Arbeitsplatz können künftig schon bei unbezahlter Probearbeit unter dem gesetzlichen Unfallschutz stehen. Voraussetzung ist, dass sie sich den Betrieb nicht nur ansehen, sondern ihre Arbeit auch für den Arbeitgeber von wirtschaftlichem Wert ist, urteilte am Dienstag, 20.08.2019, das Bundessozialgericht (BSG) (AZ: B 2 U 1/18). Damit rückten die Kasseler Richter von ihrer früher gegenteiligen Rechtsprechung ab.

Konkret kann danach ein heute 39-jähriger Lkw-Fahrer Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung beanspruchen, der bis heute an einem Unfall aus dem Jahr 2012 leidet. Er hatte sich bei einem Entsorgungsbetrieb als Lkw-Fahrer beworben und beim Vorstellungsgespräch einen unbezahlten Probearbeitstag vereinbart. Dies war in dem Entsorgungsbetrieb üblich, weil der Umgang mit dem Müll bei vielen Menschen zu starkem Ekel führt, so dass sie dann für die Tätigkeit nicht geeignet sind.

An seinem Probetag stürzte der Mann beim Transport von Mülltonnen von der Ladebordwand des Lasters. Dabei verletzte er sich schwer am Kopf.

Die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik wollte dies nicht als Arbeitsunfall anerkennen. Zur Begründung verwies sie auf alte Rechtsprechung des BSG. Dieses hatte zuletzt 1987 entschieden, dass bei der Probearbeit hier einer Pferdewirtin deren Eigeninteresse an der Stelle im Vordergrund stand und daher noch kein Unfallschutz bestehe (Urteil vom 20.01.1987, AZ: 2 RU 15/86).

In jüngster Zeit urteilten die Landessozialgerichte unterschiedlich, weshalb die Berufsgenossenschaft nun Klarheit in oberster Instanz suchte. 2013 hatte das BSG im Fall eines Postzustellers entschieden, dass Unfallschutz jedenfalls dann besteht, wenn Bewerber bereits in den Betrieb eingegliedert sind (Urteil vom 14.11.2013, AZ: B 2 U 15/12 R).

In dem neuen Fall traf dies nach Überzeugung der Kasseler Richter aber noch nicht zu. Beide Seiten hätten die Sache ausprobieren und erst dann über einen möglichen Arbeitsvertrag entscheiden wollen. Versicherter „Beschäftigter“ sei der Lkw-Fahrer daher nicht gewesen.

Er habe aber als sogenannter Wie-Beschäftigter unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden, urteilte das BSG. Dies sind verschiedenste Tätigkeiten und Hilfen für andere, beispielsweise Pannenhilfe, sofern es sich nicht um einen privaten Gefallen handelt. Entscheidend ist hier, dass die Tätigkeit für die andere Person oder den Betrieb einen wirtschaftlichen Wert hat.

Dies, so das BSG, treffe hier zu. Der Lkw-Fahrer habe nicht nur in den Betrieb hineingeschnuppert oder ein „letztlich wertloses Probestück“ geschaffen. Vielmehr habe er voll mitgearbeitet und eine reguläre Arbeitskraft weitgehend ersetzt. Zudem sei es hier im Interesse gerade auch des Arbeitgebers gewesen, schon vor der Unterschrift unter einen Arbeitsvertrag die Eignung zu überprüfen.

Zur Begründung verwies das BSG auch darauf, dass Probearbeit heute sehr verbreitet sei. Sie dennoch vollständig vom Unfallschutz auszuschließen, würde auch deshalb den Zielen widersprechen, die der Gesetzgeber mit dem Schutz für „Wie-Beschäftigte“ verfolgt habe.

 

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