Ein Unternehmen, das seinen Kunden eine „24-Stunden-Pflege zu Hause“ verspricht, darf die hierfür eingesetzten Arbeitskräfte nicht mit einem Vertrag über 30 Stunden pro Woche abspeisen. Mit einem am Montag, 17.08.2020, verkündeten Urteil sprach das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg in Berlin einer Pflegekraft aus Bulgarien den Mindestlohn für wöchentlich 147 Stunden zu (AZ: 21 Sa 1900/19).

Die Bulgarin betreut eine 96 Jahre alte Frau. Der Betreuungsvertrag versprach der Seniorin Hilfe bei der Körperpflege, beim Essen, bei der Führung des Haushalts und zudem „Gesellschaft“. Laut Arbeitsvertrag war die Betreuerin gehalten, bei der Kundin zu wohnen und zu übernachten. Dafür war ein „Betreuungsentgelt“ für 30 Arbeitsstunden pro Woche vereinbart. Arbeitgeber war formal ein Unternehmen in Bulgarien, vermittelt wurde die Betreuung aber von einer deutschen Agentur.

Mit ihrer Klage verlangte Seniorenbetreuerin eine Vergütung für 24 Stunden pro Tag, auch rückwirkend für mehrere Monate. Sie sei täglich von 6 Uhr früh bis abends 22 oder 23 Uhr im Einsatz gewesen. Für die Zeit dazwischen habe sie sich bereit halten müssen.

Der Arbeitgeber bestritt diese Arbeitszeiten und berief sich auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit.

LAG Berlin entscheidet zur Gunsten der Klägerin

Doch das LAG Berlin gab nun weitgehend der Betreuerin recht. Ihr seien umfassende und verantwortungsvolle Tätigkeiten übertragen worden. Der Arbeitgeber handele treuwidrig, wenn er gleichzeitig verlange, dass sie dann selbst für die Einhaltung der 30-stündigen Wochenarbeitszeit sorgt. Diese Zeitvorgabe sei „für das zugesagte Leistungsspektrum unrealistisch“.

Allenfalls für drei Stunden täglich sei es der Betreuerin möglich gewesen, sich ihren Aufgaben zu entziehen, schätzte das LAG. Einschließlich einem „vergütungspflichtigen Bereitschaftsdienst“ gingen die Berliner Richter daher von einer „vergütungspflichtigen Arbeitszeit von täglich 21 Stunden“ aus; das sind 147 Stunden pro Woche.

Hiergegen ließ das LAG die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zu. Für Pflegekräfte hatten die Erfurter Richter bereits 2014 entschieden, dass auch für Bereitschaftsdienste ein Anspruch auf den Mindestlohn, damals den Pflegemindestlohn, besteht (Urteil vom 19.11.2014, AZ: 5 AZR 1101/12).

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