LAG Mainz: Betriebsratssitzung geht auch mit „Freischwingern“

Betriebsräte können für ihre Sitzungen vom Arbeitgeber keine dreh- und rollbaren Bürostühle mit Armlehnen beanspruchen. Auch bei mehrstündigen Betriebsratssitzungen sind nicht rollbare „Freischwinger“ ausreichend, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz in einem am Dienstag, 20.10.2020, veröffentlichten Beschluss (AZ: 5 TaBV 25/19).

Im Streitfall ging es um ein Getränkeindustrie-Unternehmen mit über 200 Beschäftigten. Da fällt auch viel Arbeit für die neun Mitarbeiter des Betriebsrates an. Das Unternehmen hatte für deren Arbeit das Betriebsratsbüro mit neun Bürostühlen ausgestattet. Drei Stühle waren dreh- und rollbar, die sechs weiteren Stühle hatten lediglich Stuhlbeine.

Der Betriebsrat verlangte, dass alle Stühle dreh- und rollbar sowie mit Armlehnen ausgestattet werden müssen. Jedes Betriebsratsmitglied müsse sich in Sitzungen „ohne gesundheitliche Schäden platzieren und Präsentationen (mittels Beamer)“ folgen können, „wozu eine Drehbewegung zur Optimierung des Sichtfeldes nötig“ sei. Dass die oft achtstündigen Sitzungen teils auf den einfachen Stühlen verbracht werden müssten, sei unzumutbar und auch mit der Arbeitsstättenverordnung nicht vereinbar. Diese schreibe für Büroarbeitsplätze dreh- und rollbare Bürostühle mit Armlehnen „zwingend“ vor.

Das Angebot des Arbeitgebers, die sechs Bürostühle mit Stuhlbeinen gegen sechs „Freischwinger“ auszutauschen, lehnte der Betriebsrat ab. Das Unternehmen entgegnete, dass es keine Erfahrungswerte gebe, dass Betriebsratssitzungen nur auf Bürostühlen mit Rollen möglich sind.

Nachdem das Arbeitsgericht Ludwigshafen auf den vom Arbeitgeber angebotenen „Freischwingern“ eine Sitzprobe genommen und die Sitzqualität für gut befunden hatte, lehnte es den Anspruch auf roll- und drehbare Bürostühle ab. Diese verlangten Sitzmöbel könnten zum „anlasslosen Rollen und Drehen verführen“, was wiederum die Konzentration beeinträchtige. Zwar seien die Stühle mit Stuhlbeinen unzureichend gewesen. Im Laufe des Verfahrens habe der Arbeitgeber diese aber durch „Freischwinger“ ausgetauscht. Der Betriebsrat lasse sich „allein von übersteigerten Komforterwägungen“ leiten.

Dem stimmte auch das LAG in seinem Beschluss vom 13.08.2020 zu. Der Arbeitgeber müsse das Betriebsratsbüro nicht allein mit roll- und drehbaren Bürostühlen ausstatten. Zwar sei dieser verpflichtet, die erforderlichen Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben zur Verfügung zu stellen. Dies sei mit den ausgetauschten Freischwingern aber geschehen.

Die Arbeitsstätten-Richtlinie „Sitzgelegenheiten“ schreibe nicht vor, dass sich in Sitzungs- und Besprechungsräumen nur auf Rollen gelagerte Bürostühle befinden dürfen. Den Sitzungsteilnehmern sei es auch beim mehrstündigen Dauersitzen zuzumuten, dass sie aktiv ihre Sitzposition wechseln oder ihren Stuhl verrücken.

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