BAG veröffentlicht Urteilsgründe zu ausländischen Pflegekräften

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am Freitag, 24.09.2021, die schriftlichen Gründe zu seinem Urteil zur häuslichen 24-Stunden-Pflege veröffentlicht (AZ: 5 AZR 505/20). Darin äußern die Erfurter Richter Zweifel an der Ernsthaftigkeit einer Arbeitszeitbeschränkung auf 30 Wochenstunden, wenn den Betreuten eine 24-Stunden-Pflege versprochen wird. Bei seiner Verkündung am 24.06.2021 hatte das Urteil bundesweit für Aufsehen gesorgt.

Das schriftliche Urteil enthält nun Maßgaben für die Prüfung der tatsächlichen Arbeitszeit, einschließlich Bereitschaftszeiten. Zudem betonte das BAG die „zwingende Wirkung“ des Mindestlohns auch für von ausländischen Firmen entsandte Arbeitnehmer.

Geschätzt mehrere 100.000 Frauen, meist aus osteuropäischen EU-Staaten, betreuen Pflegebedürftige in deutschen Haushalten.

Im Streitfall war die klagende Bulgarin bei einem bulgarischen Unternehmen angestellt.. Ihr Arbeitsvertrag als „Sozialassistentin“ lief über 30 Wochenstunden, gleichzeitig versprach die deutsche Vermittlungsfirma ihren deutschen Kunden eine „24 Stunden Pflege zu Hause“ mit umfassenden Leistungen.

2015 versorgte die Sozialassistentin sieben Monate lang eine über 90-jährige Frau in Berlin. Laut Arbeitsvertrag bewohnte sie ein Zimmer bei der betreuungsbedürftigen Frau. Nach ihren Angaben war dies ein 24-Stunden-Job. Nachts habe sie bei offener Tür geschlafen, um ständig bereit zu sein. Mit ihrer Klage verlangt sie daher den Mindestlohn für 24 Stunden täglich, insgesamt 42.636,00 €.

In seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil betont das BAG, dass die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns auch ausländische Arbeitgeber bindet. Die Vorschrift habe „international zwingende Wirkung“. Dies diene nicht nur dem Schutz der Arbeitnehmer, sondern auch dem Gemeinwohl. EU-Recht lasse einen bindenden Mindestlohn zu.

Dabei ist der Mindestlohn auch für Bereitschaftsdienste zu zahlen. Denn auch diese seien Arbeitszeit, und das Gesetz schreibe den Mindestlohn „je Zeitstunde“ vor, so die nun vorliegende Begründung.

In der Vorinstanz hatte auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg dies so gesehen. Der Bulgarin hatte es daher den Mindestlohn für täglich 21 Arbeitsstunden zugesprochen, insgesamt 38.377,50 €, abzüglich der bislang gezahlten 6.680,00 €.

BAG verweist den Fall ans LAG zurück

Das BAG hatte dies aufgehoben und den Streit zur erneuten Prüfung an das LAG zurückverwiesen. Zur Begründung heißt es in den schriftlichen Gründen, die Schätzung von 21 Arbeitsstunden täglich hänge „völlig in der Luft“. Das LAG nenne keine Anhaltspunkte für seine Annahme, die Klägerin habe sich täglich für eine Stunde innerhalb der Wohnung der zu betreuenden Person der jederzeitigen Arbeitsaufnahme entziehen und täglich zwei Stunden die Wohnung ohne die zu betreuende Person zum Zwecke der Freizeit verlassen können.

Daher soll das LAG nun zunächst klären, „ob die arbeitsvertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit von 30 Stunden ernsthaft gewollt war“. Es spreche einiges dafür, dass dies lediglich der „kostengünstigen Gestaltung“ gedient habe. Die Pflicht der Sozialassistentin, im Haushalt der Kundin zu wohnen, ergebe bei einer 30-Stunden-Woche keinen Sinn.

Auch sei den Kunden eine 24-Stunden-Betreuung mit umfangreichen Leistungen versprochen worden. Die bulgarische Arbeitgeberin habe keine Arbeitszeiten vorgegeben. In dem gerichtlichen Verfahren habe sie bislang auch nicht dargelegt, dass die der Kundin versprochenen Leistungen, einschließlich Nachtwachen und Gesellschaft leisten, in 30 Wochenstunden zu schaffen seien. Auch sei nicht dargelegt, dass es der bulgarischen Sozialassistentin erlaubt war, „nach sechs Arbeitsstunden, zur Nachtzeit und an den Wochenenden die zu betreuende Person sich selbst zu überlassen“.

Insgesamt spreche daher einiges dafür, dass die bulgarische Arbeitgeberin Mehrarbeit und Bereitschaftsdienste „zumindest konkludent“ angeordnet hat. „Weder dem Arbeitsvertrag noch dem Dienstleistungsvertrag mit der zu betreuenden Person ist zu entnehmen, dass die Klägerin nur zu bestimmten Zeiten, nicht aber jederzeit der zu betreuenden Person zur Verfügung stehen musste“, heißt es in den schriftlichen Urteilsgründen.

Vor diesem Hintergrund soll daher das LAG prüfen, ob die Behauptung der Klägerin, sie habe rund um die Uhr gearbeitet oder Bereitschaft geleistet, gerichtlich für wahr zu erachten ist, soweit die Arbeitgeberin dies nicht noch entkräftet.

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