BAG: Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert

Arbeitgeber dürfen zu Recht die Arbeitsunfähigkeit einer Beschäftigten anzweifeln, wenn diese kündigt und sich gleichzeitig während der Kündigungsfrist krankschreiben lässt. Fällt die Arbeitsunfähigkeit passgenau auf die Kündigungsfrist, ist der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert, stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt mit Urteil vom Mittwoch, 08.09.2021 klar (AZ: 5 AZR 149/21). Die Arbeitnehmerin könne eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall dann nur verlangen, indem sie die Zweifel entkräftet und weitere Belege ihrer Arbeitsunfähigkeit vorlegt – etwa mit der Vernehmung des behandelnden Arztes.

Die Klägerin war als kaufmännische Angestellte bei einer Personalvermittlung tätig. Am 08.03.2019 teilte sie einem Mitarbeiter ihres Einsatzbetriebes mit, dass sie nicht zur Arbeit erscheinen werde. Ihrem Arbeitgeber übermittelte sie am selben Tag ihre Kündigung. Entsprechend der Kündigungsfrist endete das Arbeitsverhältnis damit zwei Wochen später. Doch auch in dieser Zeit wollte die Frau nicht zur Arbeit erscheinen. Sie reichte eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein. Diese umfasste passgenau die Kündigungsfrist.

Der Arbeitgeber glaubte der Angestellten nicht, dass sie tatsächlich arbeitsunfähig ist. Er lehnte für den Zeitraum der Kündigungsfrist die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall mitsamt Fahrgeld ab. Die erste Diagnose habe lediglich „sonstige und nicht näher bezeichnete Bauchschmerzen“ festgestellt. Am Tag der Kündigung und Krankschreibung habe die Frau gegenüber einem Mitarbeiter des Entleibetriebs zudem telefonisch erklärt, dass die Weiterarbeit keinen Sinn mehr mache.

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen sprach ihr noch die gewünschte Entgeltfortzahlung zu. Der Arbeitgeber habe keine Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die Diagnose „Bauchschmerzen“ generell oder jedenfalls im vorliegenden Streitfall eine zweiwöchige Krankschreibung nicht rechtfertigen könne.

Doch das BAG hob diese Entscheidung auf und wies die Klägerin ab. Diese habe keinen Anspruch auf die gewünschte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Denn der Arbeitgeber habe den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert, ohne dass die Klägerin weitere Belege für ihre Arbeitsunfähigkeit vorgebracht habe. Der Arbeitgeber durfte von „ernstlichen Zweifeln“ an der ärztlichen Bescheinigung ausgehen, da die Krankschreibung passgenau den Zeitraum der Kündigungsfrist umfasste.

Die Klägerin hätte ihrerseits weitere Belege für ihre Arbeitsunfähigkeit vorbringen können, indem etwa der behandelnde Arzt nach der Entbindung von der Schweigepflicht vernommen wird. Da sie die Zweifel nicht ausgeräumt habe, stehe ihr keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu, so das BAG.

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