BAG: Anspruch auf 30 Prozent Nachtarbeitszuschlag sonst möglich

Arbeitgeber müssen eine Dauernachtwache möglichst vermeiden. Ist eine Arbeitnehmerin als Dauernachtwache tätig, auch wenn Wechselschichtarbeit möglich wäre, kann sie regelmäßig einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 Prozent verlangen, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 25.05.2022 (AZ: 10 AZR 230/19). Die Erfurter Richter bekräftigten damit ihre bisherige Rechtsprechung. Den aktuellen Fall einer Dauernachtwache in einem nicht tarifgebundenen Wohnheim für behinderte Menschen verwiesen die obersten Arbeitsrichter aber zur weiteren Prüfung an das Landesarbeitsgericht Köln zurück.

Die Klägerin arbeitet seit dem 22.07.2003 als „Mitarbeiterin im Betreuungsdienst (Nachtwache) mit der Qualifikation Krankenschwester“ in einer stationären Wohneinrichtung für behinderte Menschen. Sie wird nur als Dauernachtwache eingesetzt. Laut Arbeitsvertrag erhält sie für ihre Dauernachtschicht werktags einen Nachtarbeitszuschlag von 20 Prozent. Auch eine Betriebsvereinbarung legt den 20-Prozent-Zuschlag fest.

Das sei für die gesundheitsschädliche Dauernachtarbeit nicht angemessen, meinte die Klägerin. Sie verlangte für 280 Nachtarbeitsstunden, die sie von September bis November 2016 geleistet hatte, einen Nachtarbeitszuschlag von 30 Prozent und damit eine Lohnnachzahlung von 464,80 €.

Der Arbeitgeber lehnte ab. Die Nachtarbeitszeit gehe mit „Zeiten minderer Beanspruchung“ einher. Außerdem sei er gesetzlich verpflichtet, dass nachts stets ein Beschäftigter für die Bewohner da sei.

Das LAG Köln wies die Klage der Frau ab.

Die dagegen eingelegte Revision hatte vor dem BAG Erfolg. Es sei möglich, dass die Klägerin Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 Prozent hat. Dies müsse das LAG noch einmal prüfen.

Nach dem Arbeitszeitgesetz stehe Nachtarbeitnehmern für ihre Tätigkeit zwischen 23 und 6 Uhr (Bäckereien 22 bis 5 Uhr) ein „angemessener Zuschlag oder eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage zu, „soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichszahlungen bestehen“. Die Tarifvertragsparteien sind danach grundsätzlich frei, eigene Vergütungsregelungen zu treffen.

Greife – so wie hier – kein Tarifvertrag, besteht laut BAG für eine Dauernachtarbeit „regelmäßig“ ein Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 Prozent. Bei gelegentlicher Nachtarbeit betrage der Zuschlag in der Regel 25 Prozent, so das Gericht mit Verweis auf ein Urteil vom 09.12.2015 im Fall eines Paketauslieferers (AZ: 10 AZR 423/14). Abweichungen nach oben und unten seien je nach Besonderheit der konkreten Tätigkeit möglich.

Mit den Nachtarbeitszuschlägen solle der Arbeitgeber dahin „gelenkt“ werden, die für die Beschäftigten gesundheitsschädliche Nachtarbeit zu vermeiden. Sei die Nachtarbeit gesetzlich vorgeschrieben und sei diese aus „überragenden Gründen des Gemeinwohls“ zwingend erforderlich, könne der Zuschlag aber geringer ausfallen, so das BAG.

Bereits am 15.07.2020 hatte das Gericht daher einer Altenheim-Pflegekraft nur einen Zuschlag von 20 statt der üblichen 25 Prozent zuerkannt (AZ: 10 AZR 123/19). Denn bei einer gesetzlich oder per Verordnung vorgeschriebenen Nachtarbeit könne der Arbeitgeber nicht dahin „gelenkt“ werden, diese zu vermeiden.

Im aktuellen Fall lege der Arbeitsvertrag fest, dass die Klägerin für ihre werktägliche Dauernachtarbeit nur einen Zuschlag von 20 Prozent erhalte. Eine Regelung, „die zum Nachteil der Arbeitnehmer hinter den gesetzlichen Vorgaben für einen angemessenen Ausgleich zurückbleibt“, sei aber unwirksam, betonte das BAG. Grundsätzlich komme hier ein Zuschlag in Höhe von 30 Prozent in Betracht. Das LAG müsse aber prüfen, ob der Zuschlag wegen weniger belastender Bereitschaftszeiten geringer ausfallen kann. Dagegen spreche allerdings der Vortrag der Klägerin, wonach sie alle 30 Minuten einen zehnminütigen Kontrollgang in der Einrichtung durchführen musste, etwa um Bewohner mit „Weglauftendenz“ zu kontrollieren.

Zwar habe der Arbeitgeber auf die gesetzliche Pflicht verwiesen, dass nachts immer ein Mitarbeiter in der Einrichtung anwesend sein muss und daher der Zuschlag geringer ausfallen dürfe. Zumindest die individuelle Dauernachtarbeit der Klägerin sei aber vermeidbar gewesen, befand das BAG. Denn der Arbeitgeber könne die besonders belastende Dauernachtarbeit auch mit Wechselschichtmodellen verhindern. Dies müsse die Vorinstanz ebenfalls noch klären.

 

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