Versäumte Info an Arbeitsagentur macht Kündigungen nicht unwirksam
Versäumen es Arbeitgeber, auch die örtliche Arbeitsagentur über geplante Massenentlassungen zu informieren, macht dies die einzelne Kündigung nicht unwirksam. Denn diese Pflicht habe „nicht den Zweck, den Arbeitnehmern Individualschutz zu gewähren“, urteilte am Donnerstag, 13.07.2023, der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg (AZ: C-134/22). Die Mitteilung solle es der Arbeitsagentur lediglich ermöglichen, sich auf die Entlassungen vorzubereiten.
Im Streitfall geht es um ein Unternehmen in Niedersachsen, das 2019 in die Insolvenz ging. Der Insolvenzverwalter sah sich zu Massenentlassungen gezwungen. Wie gesetzlich vorgeschrieben, informierte er hierüber den Betriebsrat. Auch der sah aber keine Möglichkeit, die Entlassungen zu verhindern.
Laut Gesetz müssen die Arbeitgeber in solchen Fällen eine Kopie der an den Betriebsrat gegebenen Informationen auch der örtlichen Arbeitsagentur übermitteln. Dies hatte hier der Insolvenzverwalter versäumt.
Ein Schweißer, der nach 18-jähriger Betriebszugehörigkeit seinen Job verloren hatte, nahm dies zum Anlass für eine Kündigungsschutzklage.
Wegen der versäumten Information an die Arbeitsagentur sei seine Entlassung unwirksam.
Das BAG hatte bereits mehrfach entschieden, dass eine fehlende Beteiligung des Betriebsrats zur Unwirksamkeit von Massenentlassungen führt. Denn dieser müsse konstruktive Vorschläge machen können, ob die Entlassungen noch zu verhindern sind oder wie sie sozial begleitet werden können (so Urteil vom 03.06.2019, AZ: 6 AZR 459/18).
2012 hatte das BAG auch zu einer fehlerhaften Information der Arbeitsagentur entsprechend entschieden (Urteile vom 28.06.2012, AZ: 6 AZR 780/10 und 6 AZR 726/10). In dem neuen Fall meinten die Erfurter Richter nun, es spreche einiges gegen diese Auffassung und legten den Streit daher dem EuGH vor (Beschluss vom 27.01.2022, AZ: 6 AZR 155/21 (A) ).
Der entschied nun, dass hier der Formfehler bei Massenentlassungen nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigungen führen. Die schriftliche Information der Arbeitsagentur „hat nicht den Zweck, den betroffenen Arbeitnehmern Individualschutz zu gewähren“. Zur Begründung verwiesen die Luxemburger Richter auf das Ziel der Informationen. Dadurch solle sich die Arbeitsagentur auf die Zahl der Entlassenen und auch auf deren Qualifikationen vorbereiten können. Eine „aktive Rolle“ habe die Arbeitsagentur bei Massenentlassungen zunächst aber nicht.
Formal muss nun abschließend das BAG über den Streit entscheiden.
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