Betriebsvereinbarung darf nicht von Tarifvertrag abweichen

Sieht ein Tarifvertrag für Fahrten eines Außendienstmitarbeiters zwischen seiner Wohnung und dem Kunden eine vergütungspflichtige Arbeitszeit vor, darf eine Betriebsvereinbarung nicht einfach davon abweichen. Wenn der Tarifvertrag abweichenden Betriebsvereinbarungen nicht ausdrücklich erlaubt, ist der Arbeitgeber an die entsprechenden tariflichen Bestimmungen gebunden, urteilte am Mittwoch, 18.03.2020, das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt (Az.: 5 AZR 36/19).

Geklagt hatte ein angestellter Servicetechniker, der für ein Unternehmen im Bereich der Druck- und Bürokommunikation regelmäßig zu Kunden fuhr. Dabei fuhr er häufig auch direkt von Zuhause aus zum ersten Kunden und trat nach dem letzten Kunden dann wieder die Heimreise an, ohne zunächst zu seiner Firma zu fahren.

Nach einer Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2001 zählten die ersten 20 Minuten der An- und Abfahrten nicht zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Nur darüber hinausgehende Fahrtzeiten wurden als Arbeitszeit gewertet.

Der Beschäftigte meinte, dass die gesamte Fahrtzeit als Arbeitszeit gewertet werden müsse. Er verlangte, dass ihm für den Streitzeitraum von März bis August 2017 für die angefallenen An- und Abfahrten zum und vom Kunden insgesamt 68 Stunden und 40 Minuten auf sein Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden müsse. Hilfsweise solle ihm der Arbeitgeber die Fahrtzeiten vergüten, insgesamt 1.220,00 €.

BAG entscheidet zu Gunsten des Arbeitnehmers

Vor dem BAG bekam er nun grundsätzlich recht. Denn nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag „sind sämtliche Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht erbringt, mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten“. Bei Außendienstmitarbeitern zähle dazu auch die Reisetätigkeit, so dass die An- und Abfahrten von Zuhause aus zum und vom Kunden ebenfalls als Arbeitszeit angerechnet werden müsse. Diese Tarifauslegung ist allerdings nicht ohne weiteres auf andere Berufe übertragbar, bei denen eine Reisetätigkeit des Arbeitnehmers nicht im Vordergrund steht.

Hier sehe der Tarifvertrag auch keine Öffnungsklauseln vor und erlaube damit keine abweichenden Betriebsvereinbarungen, so das BAG. Der Arbeitgeber sei daher an die tariflichen Regelungen gebunden.

Der Kläger könne daher eine Gutschrift für die aufgebrachten Fahrtzeiten verlangen, vorausgesetzt die reguläre wöchentliche Arbeitszeit ist überschritten worden, urteilten die Erfurter Richter. Dies muss nun das Landesarbeitsgericht Düsseldorf prüfen.

 

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