Bundesverfassungsgericht: Staat ist der Neutralität verpflichtet

Bundesländer dürfen für die juristische Ausbildung ein Kopftuchverbot vorsehen. Rechtsreferendarinnen darf das Anlegen eines muslimischen Kopftuches zur Einhaltung der „weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates“ bei hoheitlichen Aufgaben untersagt werden, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Donnerstag, 27.02.2020, veröffentlichten Beschluss (AZ: 2 BvR 1333/17). Die damit verbundene Einschränkung der Glaubensfreiheit könne auch gerechtfertigt sein, um die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die negative Religionsfreiheit anderer Menschen zu gewährleisten.

Vor Gericht war eine deutsch-marokkanische Rechtsreferendarin aus Frankfurt/Main gezogen. Noch bevor sie ihre Ausbildung begonnen hatte, wurde sie über das in Hessen geltende Kopftuchverbot unterrichtet. Nach dem Hessischen Beamtengesetz ist das Tragen eines muslimischen Kopftuches verboten, wenn eine Referendarin bei ihren Tätigkeiten als Repräsentantin des Staates wahrgenommen wird. Praktisch bedeutete dies für sie, dass sie bei Verhandlungen nicht auf der Richterbank sitzen durfte oder bei der Staatsanwaltschaft keine Sitzungsvertretung übernehmen oder Zeugen anhören konnte. Die Referendarinnen müssten sich „religiös neutral“ verhalten.

Die Muslima sah in den Bestimmungen ihre im Grundgesetz geschützt Glaubensfreiheit verletzt und fühlte sich diskriminiert. Das Tragen des muslimischen Kopftuches sei ihre religiöse Pflicht.

VGH in Hessen billigte das Kopftuchverbot

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel billigte jedoch mit Beschluss vom 23.05.2017 die hessischen Vorschriften (AZ: 1 B 1056/17). Das Kopftuchverbot bei öffentlichkeitswirksamen Tätigkeiten sei zur Wahrung der staatlichen Neutralität geboten. „Es ist kaum ein Ort denkbar, an dem die Wahrung staatlicher Neutralität durch ihre Repräsentanten so bedeutsam ist wie vor Gericht, wo die Verfahrensbeteiligten eine in jeder Hinsicht von weltanschaulichen, politischen oder religiösen Grundeinstellungen unabhängige Entscheidung erwarteten“, heißt es in dem VGH-Beschluss.

Diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden, stellte nun das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 14.01.2020 klar. Zwar werde die muslimische Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Religionsfreiheit beeinträchtigt. Dies sei aber „verfassungsrechtlich gerechtfertigt“. Denn der Staat müsse sich grundsätzlich an das Gebot der „weltanschaulich-religiösen Neutralität“ halten“, betonten die Verfassungsrichter. Zwar müsse sich der Staat nicht jede private Bekundung seiner Amtsträger als eigene zurechnen lassen. Anders sehe dies aber aus, „wenn der Staat – wie im Bereich der Justiz – auf das äußere Gepräge einer Amtshandlung besonderen Einfluss nimmt“.

Hier greife das Kopftuchverbot auch nur bei einzelnen, öffentlichkeitswirksamen Tätigkeiten, bei denen der Bürger die Rechtsreferendarin als Repräsentantin des Staates ansieht. Das Verbot könne die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege sichern. Denn nur mit Einhaltung des Neutralitätsgebotes könne das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz insgesamt gewährleistet werden.

Auch die negative Religionsfreiheit Dritter, also die Freiheit eines anderen Menschen, keiner oder einer bestimmten Religion angehören zu wollen, könnte beeinträchtigt werden, wenn eine Amtsträgerin ein muslimisches Kopftuch trägt.

 

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