Das Recht schwerbehinderter Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern auf Beschäftigung entsprechend ihren Fähigkeiten und Kenntnissen gilt nicht schrankenlos. So ist ein öffentlicher Arbeitgeber nicht verpflichtet, einer schwerbehinderten Frau vorab eine Beschäftigung auf eine Stelle zuzuweisen, für die bereits ein Ausschreibungsverfahren läuft, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Dienstag, 21.04.2020, veröffentlichten Urteil (Az.: 9 AZR 78/19). Wegen ihrer Schwerbehinderung eingeschränkte Menschen können danach auch keine andere, als im Arbeitsvertrag festgelegte Beschäftigung einfordern, sondern allenfalls den Wunsch nach einer Vertragsanpassung äußern.

Im Streitfall hatte eine schwerbehinderte angestellte Lehrerin geklagt. Sie ist seit dem 01.08.1979 beim Land Thüringen beschäftigt, seit September 2012 ist sie arbeitsunfähig erkrankt. Wiedereingliederungsversuche scheiterten. Der Amtsärztliche Dienst ging davon aus, dass mit einer Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit als Lehrerin nicht mehr zu rechnen sei. Sie könne „leichte Tätigkeiten ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastung, Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sowie Verantwortung für andere Personen“ ausüben.

Die Lehrerin bewarb sich schließlich erfolglos auf mehrere beim Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport ausgeschriebene Stellen.

Als ihr Arbeitgeber zehn Stellen als „Lehrer-Kulturagent/Kulturagentin“ ausschrieb, bewarb sich die Frau erneut auf eine dieser Stellen. Sie verlangte jedoch parallel, dass das Land als ihr Arbeitgeber sie „leidens- und behinderungsgerecht“ beschäftigt. Schwerbehinderte Menschen hätten gegenüber ihrem Arbeitgeber nach dem Gesetz Anspruch auf Beschäftigung, entsprechend ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse. Für sie komme – außer einer Tätigkeit als Lehrerin im Schuldienst – etwa eine Beschäftigung im Bereich der Schulaufsicht, in Schulämtern oder als Kulturagentin infrage. Eine Stelle als Kulturagentin sei frei und für sie geeignet, so dass ihr vorab eine entsprechende Beschäftigung zustehen müsse.

Die Klage auf Beschäftigung hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Begehre die Arbeitnehmerin, sie leidens- und behinderungsgerecht zu beschäftigen, müsse ausreichend das Berufsbild bezeichnet werden. Der Antrag der Klägerin auf Beschäftigung im Bereich der Schulaufsicht oder bei Schulämtern sei daher zu unbestimmt.

Die Klägerin könne jedoch auch keine Beschäftigung als Kulturagentin beim Land einfordern. Zwar könne der Arbeitgeber leistungsgeminderten Arbeitnehmern im Rahmen seines Direktionsrechts und wegen seiner bestehenden Rücksichtnahmepflicht eine andere Beschäftigung zuweisen, aber nur innerhalb des arbeitsvertraglichen Rahmens, heißt es in dem Urteil vom 03.12.2019. „Eine Verpflichtung zu einer vertragsfremden Beschäftigung begründet das Gebot der Rücksichtnahme nicht.“ Um eine vertragsfremde Beschäftigung gehe es hier, da die Lehrerin nun als Kulturagentin biem Land arbeiten wolle.

Die Frau könne die Beschäftigung als Kulturagentin auch deshalb nicht verlangen, weil bereits das Ausschreibungsverfahren begonnen habe. Eine vor Ende des Bewerbungsverfahrens vorgenommene Stellenzuweisung an die Klägerin würde unzulässig in die Organisationsgewalt des Arbeitgebers eingreifen.

Jeder Bewerber und jede Bewerberin habe zudem ein Recht auf „chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren“. Die vorherige Vergabe einer ausgeschriebenen Stelle an die schwerbehinderte Klägerin würde das Recht auf Chancengleichheit unterlaufen, rügte das BAG.

 

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