BAG: Muslimischer Stellenbewerberin steht Entschädigung zu

Ein pauschales Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen im Schulunterricht stellt eine entschädigungspflichtige Diskriminierung wegen der Religion dar. Das im Berliner Neutralitätsgesetz enthaltene pauschale Verbot, sichtbar religiöse oder weltanschauliche Symbole im Schulunterricht zu tragen, ist mit dem Grundgesetz nicht im Einklang zu bringen, urteilte am Donnerstag, 27.08.2020, das Bundesarbeitsgericht (BAG) (AZ: 8 AZR 62/19). Die Erfurter Richter entschieden, dass die maßgebliche Bestimmung aber verfassungskonform ausgelegt werden kann und eine Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht daher nicht erforderlich ist.

Im konkreten Fall ging es um eine muslimische Diplominformatikerin, die sich als Quereinsteigerin auf eine Lehrerinnenstelle beworben hatte. Im Anschluss an ihr Bewerbungsgespräch am 11.01.2017 wies ein Mitarbeiter der regionalen Schulaufsicht die Muslima darauf hin, dass im Schulunterricht generell kein islamisches Kopftuch getragen werden dürfe. Das Berliner Neutralitätsgesetz verbiete das sichtbare Tragen religiöser oder weltanschaulicher Symbole. Eine Ausnahme gelte nur für den Religionsunterricht und für berufliche Schulen. Die Stellenbewerberin erwiderte, dass sie auf das Tragen ihres Kopftuches aber nicht verzichten wolle.

Als sie eine Absage erhielt, meinte die Frau, dass allein das Tragen ihres islamischen Kopftuches dafür verantwortlich sei. Das in Berlin eingeführte pauschale Kopftuchverbot stelle nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine unzulässige Benachteiligung wegen der Religion dar. Faktisch handele es sich bei dem Gesetz um ein religiöses Berufsverbot. Sie verlangte vom Land Berlin daher eine Diskriminierungsentschädigung.

Klägerin obsiegte beim LAG Berlin-Brandenburg

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg gab der Klägerin am 27.11.2018 recht und sprach ihr eine Entschädigung in Höhe von eineinhalb Monatsgehältern zu, insgesamt 5.159,00 € (AZ: 7 Sa 963/18). Die Stellenbewerberin sei wegen ihrer Religion benachteiligt worden. Das Land Berlin könne sich nicht auf das im Berliner Neutralitätsgesetz von 2005 enthaltene pauschale Verbot des Tragens religiöser oder weltanschaulicher Symbole im Schulunterricht stützen.

Die Berliner Richter verwiesen auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.01.2015 zum pauschalen Kopftuchverbot in Nordrhein-Westfalen (AZ: 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10). Danach sei der damit verbundene Eingriff in die Religionsfreiheit „erst dann zu rechtfertigen, wenn eine hinreichend konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität feststellbar ist“. Diese konkrete Gefahr sei hier aber nicht feststellbar, so das LAG.

Im Ergebnis bestätigte nun auch das BAG das Urteil der Vorinstanz. Die Klägerin sei mit dem im Berliner Neutralitätsgesetz enthaltenen pauschalen Kopftuchverbot wegen ihrer Religion diskriminiert worden. Es sei mit der Religionsfreiheit nicht vereinbar, wenn religiöse oder weltanschauliche Symbole generell nicht im Schulunterricht getragen werden dürfen. Die Verbotsbestimmung könne aber „verfassungskonform“ in dem Sinne ausgelegt werden, dass nur bei konkreten Gefahren – wie etwa bei der Störung des Schulfriedens – das Tragen eines islamischen Kopftuches oder anderer religiöser Symbole untersagt werden kann.

Diese Gefahren habe das Land Berlin im Streitfall aber nicht dargelegt. Eine Vorlage des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) lehnte das BAG ebenfalls ab.

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