BAG: Handelsblatt-Verlag durfte angestellten Journalisten abmahnen

Angestellte Journalisten bei Zeitschriften und Zeitungen dürfen nicht ohne weiteres Artikel bei Wettbewerbern ihres Arbeitgebers veröffentlichen. Halten sich Redakteure nicht an den tariflichen Genehmigungsvorbehalt für bestimmte Nebentätigkeiten, darf ihr Arbeitgeber sie abmahnen, urteilte am Dienstag, 15.06.2021, das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt zu einem Bericht über einen herzhaften Griff in den Hüftspeck eines Wirtschaftswoche-Journalisten (AZ: 9 AZR 413/19).

Stein des Anstoßes war die Dienstreise des Wirtschaftswoche-Redakteurs Harald Schumacher zur Eröffnung einer Fabrik eines baden-württembergischen Maschinenbauherstellers in Illinois/USA. Das Firmenevent im September 2017 klang mit einer abendlichen Party aus. Die Firmenchefin ermunterte Schumacher, sich am Buffet zu bedienen. Der Journalist lehnte dankend mit Hinweis auf „zu viel Speck über’m Gürtel“ ab.

Schumacher zufolge „überprüfte“ daraufhin die Frau seinen Hüftspeck mit einem beherzten Griff in die Hüfte. Das Unternehmen bestritt später den Hüftspeckübergriff. Vielmehr sei „kurz wohlwollend am Sakko gezupft“ worden.

In seinem Artikel für die Wirtschaftswoche beschrieb Schumacher den Übergriff der Firmenchefin, ohne ihren Namen zu nennen. Die Redaktion strich den Passus im Text. Im Dezember 2017 fragte der Journalist noch einmal nach, ob der Vorfall nicht doch im Rahmen der „MeToo-Debatte“ veröffentlicht werden könne. Andernfalls werde er den Beitrag woanders veröffentlichen.

Der Chefredakteur lehnte ab. Schumacher ließ sich davon nicht beeindrucken. Ohne vorherige Unterrichtung seines Arbeitgebers erschien im März 2018 in der Berliner taz sein Artikel mit dem Titel „Ran an den Speck“, der den Vorfall in Zusammenhang mit der „MeToo-Debatte“ stellte.

Daraufhin wurde der Journalist von seinem Arbeitgeber abgemahnt. Der Handelsblatt-Verlag verwies auf den maßgeblichen Manteltarifvertrag für Redakteurinnen und Redakteuren an Zeitschriften. Danach besteht für Nebentätigkeiten eine Anzeigepflicht. Für die anderweitige Verwertung von Informationen, die Redakteure während ihrer Arbeit erlangt haben, benötigen sie sogar die Zustimmung des Verlags. Schumacher meinte, dass die Veröffentlichung dennoch im Zuge seiner Meinungs- und Berufsfreiheit zulässig gewesen sei.

LAG und BAG entscheiden zugunsten des Arbeitgebers

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf urteilte am 26.09.2019, dass die Abmahnung wegen der nicht genehmigten Veröffentlichung in der taz zulässig war (AZ: 4 Sa 970/18). Denn nach den tariflichen Regelungen bedürfe die Verwertung einer dem Redakteur bei seiner Tätigkeit bekanntgewordenen Nachricht der Einwilligung des Verlages. Diese Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit sei auch gerechtfertigt. Die „innere Pressefreiheit“ des Redakteurs werde nicht verletzt.

Auch das BAG urteilte, dass der Handelsblatt-Verlag Schumacher abmahnen durfte. Der Journalist habe während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit erlangte Nachrichten für einen anderweitigen Artikel in der taz verwendet. Dabei habe er gegen die tarifliche Pflicht verstoßen, sich die Veröffentlichung genehmigen zu lassen.

Der Verlag habe auch ein „berechtigtes Interesse an der Unterrichtung, um die Verwertung der Nachricht durch einen Wettbewerber gegebenenfalls verhindern zu können“, urteilte das BAG. Erst wenn vom Arbeitgeber ein konkreter Artikel zur anderweitigen Veröffentlichung nicht genehmigt werde, könne gerichtlich überprüft werden, ob im konkreten Fall die Meinungsfreiheit des angestellten Journalisten schwerer wiegt als die Belange des Verlags.

Kündigung erhalten?

Falls Sie eine Kündigung erhalten haben und eine arbeitsrechtliche Beratung benötigen, rufen Sie mich umgehend an. Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden. Deshalb zögern Sie nicht, sondern kommen bitte sofort auf mich zu. Wenn Sie über einen Berufsrechtsschutz verfügen, übernimmt der Rechtsschutzversicherer in den meisten Fällen die Kosten der Klagerhebung. Die Korrespondenz mit dem Versicherer übernehme ich gerne für Sie.

Thorsten Blaufelder - Beratung

 

Meinen YouTube-Kanal können Sie hier besuchen.

Ihr Thorsten Blaufelder: Fachanwalt für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediator, Business Coach und Referent

Bildnachweis: © Pixel – Fotolia.com