LSG Potsdam: Defektes Hörgerät ist regelmäßig kein Arbeitsgerät

Ein Sturz auf dem Weg zum Hörgeräteakustiker ist kein Arbeitsunfall. Auch wenn ein nicht mehr funktionierendes, aber für die Arbeit erforderliches Hörgerät wieder instandgesetzt werden soll, steht der Weg zum Hörgeräteakustiker nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung entschied das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg in einem am Montag, 21.02,2022, bekanntgegebenen Urteil (AZ: L 3 U 148/20). Die Potsdamer Richter ließen wegen grundsätzlicher Bedeutung allerdings die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zu.

Im konkreten Fall ging es um eine bei der Deutschen Bahn angestellte Fahrdienstleiterin. Wegen eines eingeschränkten Hörvermögens war sie auf ein Hörgerät angewiesen. Der Arbeitgeber hatte mit ihr vereinbart, dass sie zur Bewältigung ihrer Arbeit immer das Hilfsmittel tragen und vorsorglich auch Ersatzbatterien dabei haben muss.

Als am 12.08.2019 ihr Hörgerät unerwartet in der Spätschicht ausfiel, ging sie am Folgetag zum Geschäft ihres Hörgeräteakustikers, um neue Ersatzbatterien zu kaufen. Vor dem Geschäft stürzte sie jedoch an der Bordsteinkante und erlitt einen Bruch am Kopf des Oberarmknochens.

Den Sturz wollte sie als Arbeitsunfall von der zuständigen Unfallkasse anerkannt haben. Der Gang zum Hörgeräteakustiker sei beruflich bedingt gewesen, da sie immer ein funktionierendes Hörgerät während ihrer Arbeit tragen müsse.

LSG lehnte die Klage ab

Das LSG wies mit Urteil vom 10.02.2022 ihre Klage jedoch ab. Persönliche Gegenstände wie Hörgeräte oder Brillen gehörten grundsätzlich nicht zu den Arbeitsgeräten, deren Beschaffung versichert ist. Nur wenn diese „nahezu ausschließlich beruflich genutzt“ würden, komme ein Unfallversicherungsschutz infrage. Hier sei die Klägerin aber auch im privaten Bereich auf ihr Hörgerät angewiesen gewesen.

Auch wenn der Arbeitgeber das Tragen des Hörgerätes während der Arbeit als „Nebenpflicht“ der Beschäftigten vereinbart hat, führe dies noch nicht zu einem Unfallversicherungsschutz. Denn ein Arbeitgeber dürfe den Unfallversicherungsschutz nicht beliebig in den privaten Bereich ausdehnen.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seien verpflichtet, „funktionsfähig zum Dienst zu erscheinen und persönliche Einschränkungen von sich aus soweit wie möglich zu kompensieren“. Dazu gehöre auch etwa das Tragen einer Brille oder eines Hörgerätes.

Nur wenn ein besonders enger „sachlicher, örtlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit“ bestehe, könne ein Unfallversicherungsschutz vorliegen. Hier sei die Klägerin aber nicht darauf angewiesen gewesen, plötzlich und ohne weiteren Verzug Batterien für ihr Hilfsmittel zu besorgen. Sie hätte zeitlich flexibel in ihrer Freizeit diese kaufen und vorausschauend auch einen Vorrat anlegen können.

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