Erhebt ein Arbeitgeber schwere Vorwürfe gegen einen Arbeitnehmer und kündigt wegen Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, dann klingt ein Angebot auf „Prozessbeschäftigung“ während des Kündigungsschutzverfahrens wenig glaubwürdig. Der Arbeitnehmer muss das Beschäftigungsangebot dann nicht annehmen, urteilte am Mittwoch, 29.03.2023, das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt (AZ: 5 AZR 255/22). Er könne vielmehr davon ausgehen, dass dies „nicht ernst gemeint ist“.

Damit sprach das BAG dem Kläger sogenannten Verzugslohn in Höhe von 20.235,00 € zu. Er war ab August 2018 als technischer Leiter bei einer Firma im Raum Leipzig angestellt. Sein Brutto-Monatslohn betrug 5.250,00 €.

Doch offenbar knirschte es zwischen dem Mann und seinem Chef. Die Arbeitgeberin sprach zwei fristlose Änderungskündigungen aus, zuletzt zum 17.12.2019 um 12 Uhr. Künftig sollte der Mann als Softwareentwickler arbeiten, zu einem Brutto-Monatslohn von 3.750,00 €. Wenn er das Angebot annehme, solle er am 17.12.2019 weiter zur Arbeit kommen. Aber auch wenn nicht, werde er am 17.12. „spätestens um 12 Uhr zum Arbeitsantritt“ erwartet.

Doch der Kläger kam ab diesem Tag nicht mehr zur Arbeit. Er fand eine neue Stelle ab dem 01.04.2020. Für die Zeit dazwischen klagte er gegen seine frühere Arbeitgeberin. Die Kündigung sei rechtswidrig gewesen, und die Arbeitgeberin müsse daher weiter den Lohn zahlen.

Durch alle Instanzen bestätigten die Arbeitsgerichte, dass die Kündigung unwirksam war. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage auf Verzugslohn aber dennoch ab. Denn der Kläger habe die von der Arbeitgeberin angebotene „Prozessbeschäftigung“ nicht angenommen.

Mit einer Prozessbeschäftigung wird eine Kündigung für die Zeit des Kündigungsschutzverfahrens faktisch ausgesetzt. Der Arbeitgeber vermeidet so das Risiko, im Fall der Niederlage den Lohn nachzahlen zu müssen, ohne eine Arbeitsleistung erhalten zu haben. Umgekehrt ist dem Arbeitnehmer sein Lohn zunächst weiter sicher, auch wenn sich die Kündigung als rechtmäßig erweist.

Wie nun das BAG entschied, müssen Arbeitnehmer ein Angebot auf Prozessbeschäftigung nicht immer annehmen. Hat sich der Arbeitgeber hierbei widersprüchlich verhalten, dann stehe dem Arbeitnehmer dennoch der Verzugslohn zu.

Und genau so liege der Fall hier, urteilte das BAG. Die Arbeitgeberin habe ihre Kündigung damit begründet, dass ihr die weitere Beschäftigung unzumutbar sei. Daher „spricht wegen ihres widersprüchlichen Verhaltens eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie dem Kläger kein ernstgemeintes Angebot zu einer Prozessbeschäftigung unterbreitete“.

Hier sei der Kläger zudem mit schweren Vorwürfen und einer Herabwürdigung seiner Person konfrontiert worden. Eine Prozessbeschäftigung sei ihm daher auch nicht zumutbar gewesen. Dass er vor Gericht dennoch eine vorläufige Weiterbeschäftigung beantragt habe, stehe dem nicht entgegen. Denn dies wäre nur bei einem Erfolg vor dem Arbeitsgericht wirksam geworden. „Es macht einen Unterschied, ob der Arbeitnehmer trotz der gegen ihn im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung erhobenen (gravierenden) Vorwürfe weiterarbeiten soll oder er nach erstinstanzlichem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess gleichsam ‚rehabilitiert‘ in den Betrieb zurückkehren kann“, betonten die Erfurter Richter.

Bildnachweis: © Trueffelpix – Fotolia.com

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