Das Teilhabestärkungsgesetz hat eine wichtige gesetzliche Neuregelung beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) hervorgebracht.
Durch den im Juni 2021 eingefügten § 167 Abs. 2 Satz 2 SGB IX können Beschäftigte bei der Durchführung des BEM-Verfahrens
“zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen.”
Auch der Rechtsanwalt des BEM-Berechtigten ist eine solche Vertrauensperson. Vor dieser Neuregelung war umstritten, ob Rechtsanwälte zum BEM hinzugezogen werden können. Von der Rechtsprechung wurde diese Frage verneint.
In der Einladung zum BEM muss der Arbeitgeber auf die Möglichkeit der Hinzuziehung einer Vertrauensperson hinweisen. Sonst ist das BEM fehlerhaft eingeleitet. Deshalb empfiehlt es sich dringend, die Einladungsschreiben und die Regelungen einer BEM-Betriebs- oder Dienstvereinbarung anzupassen.
BEM? Das unbekannte Wesen in vielen Betrieben!
Ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (kurz: BEM) muss der Arbeitgeber für Mitarbeiter anbieten, die über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt sind. Beim BEM handelt es sich nicht um ein einmaliges Gespräch, sondern um ein ergebnisoffenes Verfahren. Dessen Ziel ist es, Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und den Arbeitsplatz des betroffenen Beschäftigten zu erhalten. Hier geht es zur BEM-Artikel-Serie.
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Hallo Herr Blaufelder,
lese ich es richtig, dass nun ein RA in seiner Funktion mit ins BEM Gespräch gehen darf?
Sollte dann der AG auch einen Juristen dabei haben? Oder wird sich durch den RA das BEM nicht verändern?
Vielen Dank und eine gute Restwoche.
Mit friedlichen Grüßen
Antje Schlichting
BEM Beauftragte
CDMP
KiTa Bremen
antje.schlichting@kita.bremen.de
Guten Morgen Frau Schlichting,
ja, ein RA kann eine(n) BEM-Berechtigte(n) in den BEM-Gesprächen als “Vertrauensperson eigener Wahl” begleiten.
Allerdings meine ich, dass es kein gutes Zeichen ist, wenn ein RA dies tun muss. Die Verfahrensqualität des BEM sollte so gut sein, dass die Teilnahme eines RA nicht erforderlich wird. Es handelt sich bekanntlich nicht um ein juristischen Verfahren, sondern um einen ergebnisoffenen Suchprozess, bei dem medizinische Fragen und die Arbeitsfähigkeit im Vordergrund stehen. Deshalb ist eine Begleitung des Beschäftigten durch einen RA sinnvoll, aber nicht unbedingt unmittelbar im Verfahren selbst.
Die Teilnahme eines AG-RA ist im Gesetz nicht vorgesehen. Es besteht diesbezüglich kein Teilnahmerecht. Eine Teilnahme des RA des AG wäre nur denkbar, wenn der AN zustimmt.
Viele Grüße
Thorsten Blaufelder
Hallo Herr Blaufelder,
inwieweit kann man sich hinsichtlich der Verschwiegenheit der Vertrauenspersonen absichern? Haben Sie hier eine Empfehlung?
Herzlichen Dank.
Vielen Dank für diese berechtigte Frage!
Alle am BEM-beteiligten Personen müssen eine Verschwiegenheitserkärung abgeben, damit die Vertraulichkeit und der Datenschutz gewährleistet wird. Die Vertrauenperson müsste dann eine solche Erklärung ebenfalls unterzeichnen.
Viele Grüße
Thorsten Blaufelder
Lieber Herr Blaufelder, benutze ich für alle Akteure die gleiche Verschwiegenheitserklärung oder unterscheidet man zwischen einer Vertrauensperson, dem IFD, dem Betriebsarzt …
Friedliche Grüße aus Bremen
Antje Schlichting
Guten Tag Frau Schlichting,
es gibt bezüglich der Vertrauensperson leider noch wenig praktische Erfahrungen.
Aus meiner Sicht kann für die Vertrauensperson die gleiche Verschwiegenheitserklärung verwendet werden.
Viele Grüße
Thorsten Blaufelder
Hallo Herr Blaufelder,
Mein Arbeitgeber meint, dass ein Rechtsanwalt nicht unter Vertrauensperson fällt. Gibt es einen Kommentierung des Gesetzes, die dies besagt?
Mit freundlichen Grüßen
A. Bartsch
Guten Tag,
ich habe eben nochmals eine Recherche im Netz durchgeführt. Alle Kollegen vertreten die Auffassung, dass nun auch ein Anwalt eine Vertrauensperson sein darf. Im Gesetz gibt es keine Einschränkung. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb ich aus 8 Milliarden Menschen auswählen darf, aber es darf kein Anwalt sein. Das ergibt keinen Sinn.
Viele Grüße
Thorsten Blaufelder
Wie stehen Sie diesem Ergänzung gegenüber? Ist es aus Ihrer Sicht richtig gewesen diesen Satz dem Gesetzestext hinzufügen?
Die Ergänzung des Gesetzestextes zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) im § 167 Abs. 2 SGB IX, durch die Einführung der Option, eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuzuziehen, kann meinerseits als sinnvoll betrachtet werden. Diese Änderung erhöht die Flexibilität und die individuelle Anpassung des BEM-Prozesses an die Bedürfnisse der betroffenen Personen.
Hier sind einige Gründe, warum diese Ergänzung als sinnvoll angesehen werden kann:
Vertrauensbildung: Die Möglichkeit, eine selbstgewählte Vertrauensperson einzubeziehen, kann das Vertrauen in den BEM-Prozess stärken. Dies kann besonders wichtig sein, da das BEM häufig in sensiblen Situationen stattfindet, in denen die betroffene Person möglicherweise Unterstützung benötigt.
Individuelle Unterstützung: Jede Person hat unterschiedliche Bedürfnisse und Präferenzen. Eine selbst gewählte Vertrauensperson kann spezifische Kenntnisse oder Erfahrungen einbringen, die für die individuelle Situation relevant sind.
Erhöhung der Teilnahmebereitschaft: Wenn Betroffene das Gefühl haben, mehr Kontrolle über den Prozess zu haben, indem sie eine eigene Vertrauensperson mit einbeziehen können, könnte dies ihre Bereitschaft erhöhen, sich aktiv am BEM zu beteiligen.
Verbesserung der Kommunikation: Eine Vertrauensperson, die die Situation und die Bedürfnisse des Betroffenen gut kennt, kann die Kommunikation zwischen allen Beteiligten verbessern und Missverständnisse reduzieren.
Es ist allerdings auch wichtig zu beachten, dass die Effektivität dieser Änderung von der Art und Weise abhängt, wie sie in der Praxis umgesetzt wird. Eine sorgfältige Ausgestaltung und Umsetzung sind entscheidend, um sicherzustellen, dass die Ergänzung tatsächlich zu einer Verbesserung des BEM-Prozesses führt.