Sonderzahlungen des Arbeitgebers nicht kündigungsrelevant

Arbeitgeber können eine krankheitsbedingte ordentliche Kündigung nicht einfach damit begründen, dass sie an den arbeitsunfähigen Arbeitnehmer Sonderzahlungen leisten und damit besonders wirtschaftlich belastet sind. Selbst wenn die Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld oder auch Krankengeld- und Tankzuschüsse in Jahren erfolgt, in denen der Arbeitnehmer durchgehend krank war, stellt dies deshalb noch keine kündigungsrelevante wirtschaftliche Belastung dar, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Mittwoch, 20.10.2021, veröffentlichten Urteil (AZ: 2 AZR 125/21).

Nach der geltenden Rechtsprechung ist eine ordentliche Kündigung wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten unter bestimmten Voraussetzungen wirksam. Danach muss in einer ersten Prüfungsstufe eine „negative Gesundheitsprognose“ vorliegen, „die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen“. In einer zweiten Stufe muss aufgezeigt werden, dass die Arbeitsunfähigkeit zu einer „erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen“ führt, so das BAG. Schließlich müssten die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers bei einer Weiterbeschäftigung erheblich beeinträchtigt sein.

Im Streitfall sah das BAG diese Voraussetzungen für eine Kündigung einer Frau aus Hamburg nicht als vollständig erfüllt an. Dies ausgesprochene krankheitsbedingte ordentliche Kündigung des Arbeitgebers sei unwirksam.

Die behinderte Beschäftigte ist mit einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Ab 2012 bis Anfang 2019 hatte sie jedes Jahr erhebliche Fehlzeiten wegen Krankheit aufgewiesen. Trotz ihrer Arbeitsunfähigkeit erhielt sie von ihrem Arbeitgeber Sonderzahlungen, die auf Betriebsvereinbarungen zurückgingen. Dazu zählten etwa Weihnachts- und Urlaubsgeld, Krankengeldzuschüsse, die Gewährung eines Tankdeputats oder auch zugeteilte Jubiläumsaktien.

Nachdem die Frau in den Jahren 2015 und 2016 sowie wieder im Jahr 2018 durchgängig erkrankt und auf Krankengeld angewiesen war, wurde ihr zum 28.02.2019 deshalb ordentlich gekündigt. Der Arbeitgeber begründete dies mit der negativen Gesundheitsprognose und seiner wirtschaftlichen Belastung, da er der Beschäftigten die Sonderzahlungen gewähren müsse.

BAG entscheidet zugunsten der Arbeitnehmerin

Doch das BAG erklärte mit Urteil vom 22.07.2021 die krankheitsbedingte Kündigung für unwirksam. Zwar sei tatsächlich von einer negativen Gesundheitsprognose auszugehen. Abzustellen sei hier auf einen Prognosezeitraum von drei Jahren. Betriebsablaufstörungen wegen krankheitsbedingter Ausfälle habe der Arbeitgeber aber nicht geltend gemacht.

Zu Recht sei das Landesarbeitsgericht in Hamburg auch davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber nicht erheblich wirtschaftlich belastet wäre, wenn er die Klägerin trotz künftig zu erwartender Krankheitszeiten weiter beschäftigt. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall müsse er nicht zahlen, da die Frau im Krankengeldbezug stehe. Zwar leiste er auch Sonderzahlungen, diese stellten aber keine kündigungsrelevanten Belastungen dar, urteilten die obersten Arbeitsrichter.

Krankengeldzuschüsse würden hier „freiwillig“ vom Arbeitgeber gezahlt. Verwirkliche sich das Krankheitsrisiko, sei dies allein dem Arbeitgeber zuzurechnen. Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder das Tankdeputat welches die Klägerin auch für Jahre durchgehender Arbeitsunfähigkeit erhalten hat, sei allein wegen des Bestehens des Arbeitsverhältnisses gewährt worden und solle nicht die Arbeitsleistung honorieren. Auch hier trage der Arbeitgeber das Risiko der Arbeitsunfähigkeit.

Den Urteilsgründen des BAG ist weiterhin zu entnehmen, dass der Arbeitgeber – wie so oft – vor Ausspruch der Kündigung kein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt hatte. Zu den Folgen dieses Unterlassens musste das Gericht keine Entscheidung treffen, weil die Kündigung sich schon aus anderen Gründen als unwirksam anzusehen war.

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