BAG klärt Pflichten für unwirksam gekündigte Beschäftigte

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen nach einer noch streitigen Kündigung mögliche Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit nicht vereiteln. Erklärt ein Arbeitnehmer gegenüber der Behörde, er werde einen potenziellen Arbeitgeber unaufgefordert über das laufende Kündigungsschutzverfahren informieren, kann ihm bei einer später festgestellten unwirksamen Kündigung die Nachzahlung des noch offenen Lohns verweigert werden, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 07.02.2024 (AZ: 5 AZR 177/23).

Nach den gesetzlichen Bestimmungen kann ein Arbeitnehmer im Falle einer unwirksamen Kündigung von seinem Arbeitgeber die Nachzahlung des vorenthaltenen Arbeitsentgelts, den sogenannten Annahmeverzugslohn, verlangen. Hat sich der Arbeitnehmer wegen der im Streit stehenden Kündigung eine andere Arbeit gesucht, muss er sich dessen Verdienst auf den von seinem vorherigen Arbeitgeber zu zahlenden Annahmeverzugslohn mindernd anrechnen lassen.

Der gekündigte Arbeitnehmer muss sich auch um eine „zumutbare Arbeit“ bemühen. Hat er dies „böswillig“ unterlassen, kann der bisherige Arbeitgeber den Annahmeverzugslohn kürzen – und zwar um den Verdienst, den der Arbeitnehmer bei einer Annahme einer anderen zumutbaren Arbeit erzielt hätte.

Im aktuellen Fall war dem als Maschinenbeschicker beschäftigten Kläger zum 23.11.2017 außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt worden. Hiergegen erhob der Mann Kündigungsschutzklage. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg urteilte am 16.07.2020, dass die Kündigung unwirksam sei. Der Kläger forderte daraufhin vom Arbeitgeber noch zu zahlenden Annahmeverzugslohn in Höhe von rund 86.000 Euro.

Der Arbeitgeber lehnte dies ab. Auch wenn die Kündigung unwirksam gewesen sei, so dass dem Grunde nach ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn bestehen könne, habe es der Kläger nach Ausspruch der Kündigung „böswillig“ unterlassen, sich um eine neue Beschäftigung zu bemühen. Zwar habe er sich bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend gemeldet. Gleichzeitig habe er gegenüber der Sachbearbeiterin erklärt, dass er keine Stellenangebote wünsche. Er könne sich bewerben, wenn man ihn dazu zwinge, so seine Erklärung, dann würde er aber dem potenziellen Arbeitgeber noch vor einem Vorstellungsgespräch mitteilen, dass gegen seinen letzten Chef ein Gerichtsverfahren anhängig sei und er unbedingt weiter dort arbeiten wolle.

Das LAG urteilte, dass dem Kläger für die Zeit von Januar 2018 bis zum 30.08.2020 Annahmeverzugslohn zusteht. Er habe es nicht „böswillig“ unterlassen, sich um einen neuen Arbeitsplatz zu bemühen. Denn er habe sich arbeitssuchend gemeldet, aber keine Stellenangebote von der Agentur für Arbeit erhalten.

Das BAG hielt das Urteil des LAG für rechtsfehlerhaft und verwies das Verfahren zurück. Der Arbeitgeber müsse konkret darlegen, ob ein gekündigter Arbeitnehmer es vorsätzlich unterlassen habe, sich anderweitig um eine zumutbare Beschäftigung zu bemühen oder er die Arbeitsaufnahme bewusst verhindert habe. Dies könne etwa durch eine amtliche Auskunft der Agentur für Arbeit zu bestehenden Stellenangeboten erfolgen. Auch könne der Arbeitgeber selbst den gekündigten Arbeitnehmer auf mögliche zumutbare Stellen hinweisen.

Dabei müsse der Arbeitnehmer aber keine Stellen berücksichtigen, deren Nettoverdienst unter dem Arbeitslosengeld I liege. Hat sich ein Arbeitnehmer arbeitssuchend gemeldet, „wird ihm regelmäßig keine vorsätzliche Untätigkeit vorzuwerfen sein“, so das BAG in seinem Urteil vom 07.02.2024.

Hier habe der Kläger jedoch durch seine Äußerungen gegenüber der Agentur für Arbeit die Ursache dafür gesetzt, dass er keine Vermittlungsangebote erhalten habe. Zwar dürfe ein Arbeitnehmer auf Nachfrage des potenziellen Arbeitgebers die Gründe für seine Bewerbung nennen und auf das anhängige Kündigungsschutzverfahren hinweisen. Der Kläger habe jedoch erklärt, dass er ungefragt auf den Kündigungsrechtsstreit vor Einladung zu einem Vorstellungsgespräch darauf hinweisen will. Dies entspricht nicht „dem Verhalten einer tatsächlich um eine Beschäftigung bemühten Person“ und weist darauf hin, dass er keine zumutbare Arbeit aufnehmen wollte.

Nach diesen Maßstäben müsse das LAG noch einmal prüfen, inwieweit der Kläger durch sein Verhalten eine anderweitige Beschäftigung nach der unwirksamen Kündigung „böswillig“ vereitelt habe und ihm Annahmeverzugslohn zustehe.

 

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