Arbeitgeber sollten über eingereichte Urlaubswünsche ihrer Beschäftigten innerhalb eines Monats entscheiden. Denn lässt der Arbeitgeber diese Zeitspanne verstreichen, kann der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass der Urlaub gewährt wird, entschied das Arbeitsgericht Chemnitz in einem am Donnerstag, 15.02.2018, veröffentlichten Urteil (AZ: 11 Ca 1751/17). Unwirksam sind Klauseln in einer einseitig vom Arbeitgeber festgelegten Dienstordnung, wonach sich der Arbeitgeber mit einer Genehmigung bis fünf Werktage vor Urlaubsantritt Zeit lassen kann.
Der Sachverhalt
Im konkreten Fall ging es um eine fristlos gekündigte Sachbearbeiterin. Der Arbeitgeber hatte der Frau zunächst ordentlich zum 30.09.2017 gekündigt, wogegen die Frau keine Einwände erhob. Der Kündigung waren Abmahnungen wegen der nicht fristgerechten Anzeige der Arbeitsunfähigkeit, der verspäteten Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und auch des eigenmächtigen Verlassens des Arbeitsplatzes vorausgegangen.
Doch als nach einer Arbeitsunfähigkeit vom 31.07.2017 bis 25.08.2017 die Frau auch danach nicht zur Arbeit erschien, wollte der Arbeitgeber nicht mehr bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist warten. Er kündigte ihr wegen Nichterscheinens am Arbeitsplatz fristlos.
Die Frau war sich keiner Schuld bewusst. Sie habe doch vom 21.08. bis 08.09.2017 Urlaub. Dies sei auch in dem Anfang des Jahres erstellten Urlaubsplan vermerkt. Grund für den Urlaub sei ihre Hochzeit gewesen, so die Klägerin, die sich nun gegen die fristlose Kündigung vor dem Arbeitsgericht wehrte. Sie habe nicht unentschuldigt gefehlt.
Der Arbeitgeber bestätigte zwar, dass die Sachbearbeiterin in dem Urlaubsplan verzeichnet wurde. Er verwies jedoch auf die im Betrieb geltende Dienstordnung. Auch wenn Beschäftigte im Urlaubsplan aufgeführt werden, müsse der Vorgesetzte den Urlaub noch einmal explizit genehmigen. Für diese Entscheidung habe er bis zu fünf Werktage vor Urlaubsantritt Zeit lassen, meinte der Arbeitgeber. Eine Genehmigung sei hier aber nicht erfolgt.
Die Entscheidung: Klausel zum Urlaub unwirksam
Doch solch eine Klausel ist unwirksam – und damit auch die fristlose Kündigung, entschied das Arbeitsgericht in seinem Urteil vom 29.01.2018. Die Klausel benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen. Ein solch kurzfristiger Genehmigungsvorbehalt sei mit dem Grundgedanken des Bundesurlaubsgesetzes nicht vereinbar. Nach dem Gesetz müsse der Arbeitgeber die Urlaubswünsche seiner Beschäftigten berücksichtigen. Die vom Arbeitgeber einseitig festgelegte Regelung biete letztendlich für den Arbeitnehmer keinerlei Planungssicherheit.
Daher sei hier allein relevant, dass zum Jahresanfang die Urlaubsplanung aufgestellt wurde. Nach den geltenden Bestimmungen müsse der Arbeitgeber den Urlaubswünschen in „angemessener Zeit“ widersprichen. Als angemessener Zeitraum sei hier ein Monat nach Vorlage des Urlaubswunsches oder Erstellung des Urlaubsplanes anzusehen. Lasse der Arbeitgeber diese Zeit einfach verstreichen lassen, „darf der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass sein Urlaub entsprechend seinem Urlaubswunsch als gewährt gilt“, urteilte das Arbeitsgericht.
Inwieweit ein einmal genehmigter Urlaub wegen dringender betrieblicher Gründe einseitig verlegt werden darf, war im konkreten Fall nicht zu entscheiden.
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Guten Tag
Bisher galt rechtlich meines Wissens nach, durch den Arbeitnehmer schriftlich bzw. dokumentiert beantragter Urlaub, sofern er nicht innerhalb einer adäquaten Frist (von gewöhnlich ca. einem Monat) durch den Arbeitgeber bewilligt wurde, als automatisch abgelehnt – und nicht etwa wie in diesem Fall als stillschweigend gewährt.
Somit konnte der Arbeitnehmer, sofern er innerhalb dieser Frist keine Rückäußerung seitens des Arbeitgebers erhielt davon ausgehen, dass sein beantragter Urlaub damit abgelehnt war.
Ist diese Rechtsauffassung mit dem Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz nun hinfällig?
Wird dieses Urteil für die Zukunft quasi als Präzedenzfall angesehen werden können?
Oder anders ausgedrückt: Wie wahrscheinlich ist es jetzt noch, dass andere Arbeitsgerichte zukünftig im Sinne der Arbeitgeberseite entscheiden, also den nach angemessener Frist nicht bewilligten Urlaubsantrag als stillschweigend abgelehnt werten?
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Chemnitz kann nicht als Präzedenzfall betrachtet werden. Das wäre vielleicht anders, wenn dieses Urteil vom BAG käme. Im Übrigen ist kein Richter an die Entscheidung eines anderen Richters gebunden. Es gibt nur eine Ausnahme: Entscheidungen des BVerfG haben Gesetzeskraft und an die müssen sich Richter halten.
Grundsätzlich hat Schweigen keine rechtliche Wirkung. Ich kann jedem Arbeitnehmer nur anraten, bei einem noch nicht genehmigten Urlaub einfach beim Arbeitgeber nachzufragen, was nun gelten soll. So ist eine rechtliche Auseinandersetzung vorprogrammiert.
Bei der hiesigen Entscheidung ging es in ersten Linie nicht um den Urlaub, sondern um eine verhaltensbedingte Kündigung, und eine solche setzt einen schuldhaften Vertragsverstoß voraus. Einen solchen Verstoß konnte das Gericht nicht feststellen, weshalb die Kündigung für unwirksam erklärt wurde.
Ob Präsedenzfall ist völlig egal.
Solange es kein anderes Urteil gibt, ist dieses Urteil für AG bindend. Und momentan gubt es kein anderes Urteil.
Das ist nicht richtig. Dieses Urteil ist nur für den AG bindend, der in diesem Fall ganz konkret verurteilt wurde. Weitere Bindungswirkung hat dieses Urteil nicht.
Es besteht die richterliche Unabhängigkeit, Art. 97 Abs. 1 GG.
Urteile von Bundesgerichte sind für Amts-, Land und Oberlandesgerichte bindend, nicht nur die vom BVG.
Da Bundesgerichte in der Gerichtsbarkeit über Amts-, Land- und Oberlandesgericht stehen.
Wie ich bereits am 15.04.2019 geschrieben habe, sind nur Urteile des BVerfG bindend.
§ 31 BVerfGG
(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.
Es gilt ansonsten die richterliche Unabhängigkeit, Art. 97 Abs. 1 GG -> Keine Bindung!