EGMR: Rumänien muss Reinigungskraft 7.500,00 € zahlen

Zeigt eine Arbeitnehmerin einen Vorgesetzten bei der Staatsanwaltschaft wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz an, muss die Behörde dies auch ernstnehmen. Dabei muss nicht nur ein mögliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Frau und dem Vorgesetzten in den Blick genommen werden, sondern auch, ob der Vorgesetzte der Beschäftigten gedroht und die sexuellen Belästigungen psychische Folgen nach sich gezogen haben, urteilte am Dienstag, 30.08.2022, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) (AZ: 47358/20). Die Straßburger Richter sprachen damit einer Rumänin wegen der Verletzung ihres Rechts auf Achtung des Privatlebens ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500,00 € zu.

Die bei einer Reinigungsfirma als Reinigungskraft angestellte Frau hatte von 2014 bis 2017 am Bahnhof Ost im rumänischen Timişoara geputzt. 2017 erstattete sie bei der örtlichen Staatsanwaltschaft Anzeige gegen den Bahnhofsmanager wegen sexueller Belästigung. Dieser habe über einen Zeitraum von zwei Jahren immer wieder versucht, sie zum Sex zu zwingen. Als sie sich weigerte, sei er verbal aggressiv geworden und habe ihr gedroht und ihre Arbeit behindert. Aus Angst vor dem Mann habe sie sich erst jetzt zu einer Anzeige durchringen können.

Bei einer Befragung durch den Arbeitgeber des Mannes, der staatlichen Eisenbahngesellschaft, entschuldigte sich dieser in allgemeinen Worten, ohne jedoch die sexuelle Belästigung zuzugeben. Gleichzeitig wurde die Frau dazu aufgefordert, ihren ganzen Jahresurlaub zu nehmen. Zudem sollte sie an einen anderen Bahnhof arbeiten oder kündigen.

Daraufhin kündigte sie lieber.

Der Bahnhofsmanager gab erst bei der Staatsanwaltschaft zu, einmal mit der Reinigungskraft Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Auch habe er diese seit 2016 immer wieder verfolgt und unangemessen berührt.

Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen ein, da der Bahnhofsmanager sich keiner verbotenen Straftat schuldig gemacht habe. Auch das Bezirksgericht Timişoara bestätigte diese Entscheidung. Zwar habe der Bahnhofsmanager sexuelle Gefälligkeiten verlangt, die Frau sei deshalb aber noch nicht in strafbarer Weise in ihrer sexuellen Freiheit bedroht oder gedemütigt worden.

Der EGMR urteilte, dass die Frau damit in ihrem Recht auf Achtung des Privatlebens verletzt wurde. Nicht nur die staatliche Eisenbahngesellschaft habe ihre internen Ermittlungen gegen den Bahnhofsmanager unzureichend geführt, sondern auch die Staatsanwaltschaft und das Bezirksgericht. So sei gar nicht klar, auf welcher Grundlagen die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt hat. Das Macht- und Unterordnungsverhältnis zwischen der Frau und dem Bahnhofsmanager sei gar nicht in den Blick genommen worden. Auch ausgesprochene Drohungen des Mannes oder mögliche psychische Folgen für die Frau seien nicht untersucht worden.

Schließlich sei die Frau ohne Notwendigkeit bei einer Vernehmung mit dem Bahnhofsmanager konfrontiert worden. Sie habe zudem ihren Arbeitsplatz verlassen müssen, was ebenfalls nicht bei der Bewertung des Falles berücksichtigt wurde. Wegen dieser mangelhaften Untersuchung haben die rumänischen Behörden und das Bezirksgericht das Recht auf Achtung der Privatsphäre verletzt, urteilte der EGMR.

 

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