LAG Erfurt billigt fristlose Kündigung eines Therapeuten

Die Meinungsfreiheit gilt auch im Betrieb. Ungeprüfte Verleumdungen sind davon allerdings nicht mehr gedeckt, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Thüringen in einem kürzlich in Erfurt veröffentlichten Urteil vom 19.04.2023 entschied (AZ: 4 Sa 269/22). Es billigte damit die Kündigung eines Therapeuten einer psychiatrischen Klinik, der diese als „Fachklinik für Bossing & Mobbing“ bezeichnet hatte.

Unter einem Pseudonym und der Überschrift „Bossing und Mobbing“ hatte er im Internet die Zustände im Thüringer Maßregelvollzug kritisiert, weil die Thüringer Pläne einer Verstaatlichung noch immer nicht umgesetzt seien. Es gebe „permanente Rechtsbrüche von privaten Betreibern“. Konkret nannte er Datenschutzverletzungen, Schreibtischdurchsuchungen und die Bloßstellung schwerbehinderter Mitarbeiter. Die Mitglieder des Betriebsrats ließen sich für Mobbing „verzwecken“.

Weiter behauptete er, im Maßregelvollzug Untergebrachte seien in den Hungerstreik getreten, würden aber unzureichend versorgt. An die Klinikleitung schrieb er einen Brief mit der Anschrift „B… Fachklinik für Bossing & Mobbing inkl. Verleumdungen und Datenschutzverletzungen“; Bossing steht für Mobbing durch Vorgesetzte.

Die Klinik hörte den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung an und kündigte danach fristlos. Der Therapeut klagte und berief sich dabei auf das Recht auf freie Meinungsäußerung. Wie schon das Arbeitsgericht Suhl wies nun auch das LAG die Klage ab.

Dabei hielten die Erfurter Richter dem Therapeuten zugute, dass es sich hier nicht um unzulässige Schmähkritik gehandelt habe. Der Kläger habe „auch eine Auseinandersetzung in der Sache“ beabsichtigt und die Diskussion für eine Verstaatlichung des Maßregelvollzugs voranbringen wollen. Auch der Brief an die Klinik könne möglicherweise noch als Meinungsäußerung durchgehen.

Insgesamt könne sich der Therapeut daher zwar auf die Meinungsfreiheit berufen, auch diese sei aber begrenzt. So müssten gerade bei besonders schwerwiegenden Vorwürfen wie hier die zugrundeliegenden Tatsachen genau überprüft werden, betonte das LAG unter Hinweis auf das Whistleblower-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg (Urteil vom 16.02.2021, AZ: 23022/19).

Das habe der Therapeut hier nicht getan. So habe er auf Äußerungen von Patienten ungeprüft vertraut, obwohl er sehr gut gewusst habe, dass dies angesichts der psychischen Probleme der Häftlinge im Maßregelvollzug problematisch ist. Für seine Behauptungen habe sich der Kläger zudem „vor allem diffamierender Schlagworte wie ‚Bossing und Mobbing‘ bedient“. Dies zeige, dass er neben der sachlichen Auseinandersetzung „in allererster Linie seinen Arbeitgeber diffamieren und bloßstellen“ wollte. Weil dabei die Vorwürfe sehr unkonkret gewesen seien, habe die Klinik „am Pranger (gestanden), ohne sich effizient zur Wehr setzen zu können“.

Bei seinem Urteil berücksichtigte das LAG auch die Whistleblower-Richtlinie (Hinweisgeberrichtlinie) der EU aus dem Jahr 2019. Obwohl die Frist hierfür Ende 2021 abgelaufen ist, hat Deutschland diese noch nicht in deutsches Recht umgesetzt. Doch auch aus der Richtlinie würde sich kein positiver Ausgang der Kündigungsschutzklage ergeben, befand das Thüringer LAG.

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