BAG schützt „Restmandat“ auch bei Pflichtverletzungen

Nach Auflösung eines Betriebs kann der so nur noch mit einem „Restmandat“ versehene Betriebsrat nicht mehr komplett aufgelöst werden. Bei Pflichtverletzungen ist nur der Ausschluss einzelner Betriebsratsmitglieder möglich, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 25.05.2023 entschied (AZ: 7 ABR 21/21).

Im Streitfall geht es um einen aufgelösten Gemeinschaftsbetrieb mit etwa 270 Arbeitnehmern in Westfalen. Im April 2018 hatte die Konzernobergesellschaft die Stilllegung zum 30.04.2019 beschlossen. Sämtliche Beschäftigte wurden gekündigt, obwohl der Betriebsrat dem widersprochen hatte. Mehrere der Entlassenen klagten. Der Betriebsratsvorsitzende wollte die Klagen unterstützen und schrieb mehrere damit befasste Anwaltskanzleien an. Unter anderem übermittelte er einen Link, über welchen sie auf umfassende betriebsinterne Daten zugreifen konnten.

Der Ordner mit den Dateien war ohne Passwortschutz in einer Cloud eines privaten Anbieters gespeichert. Die zwei Arbeitgeberinnen des Gemeinschaftsbetriebs sahen darin einen groben Pflichtverstoß. Die bereitgestellten Daten hätten sensible Entgelt- und Gesundheitsdaten der Arbeitnehmer umfasst. Weil der gesamte Betriebsrat mit dem Vorgehen ihres Vorsitzenden einverstanden gewesen sei, sei der Betriebsrat insgesamt aufzulösen. Dieser habe auch den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verletzt, da es dem Betriebsrat erkennbar um eine Schädigung der Arbeitgeberinnen gegangen sei.

Hierzu urteilte nun das BAG, dass eine Auflösung des Betriebsrats nicht mehr möglich war. Habe ein Betriebsrat nur noch ein „Restmandat“, um nach der Stilllegung noch offengebliebene Belange der früheren Belegschaft zu vertreten, dann sei laut Betriebsverfassungsgesetz eine Auflösung des Betriebsrats ausgeschlossen. Zur Begründung verwiesen die Erfurter Richter auf eine „verdeckte, planwidrige Regelungslücke“ im Gesetz. Zwar sei nach dem Gesetzeswortlaut eine Auflösung des Betriebsrats auch dann möglich, wenn nur noch ein Restmandat besteht. Gleichzeitig sehe das Gesetz dann aber die unverzügliche Einsetzung eines Wahlvorstands für Neuwahlen vor. Dies komme aber nach der Auflösung des Betriebs und seines Betriebsrats nicht mehr in Betracht.

Das Restmandat eines Betriebsrats unterliege „keiner strikt zeitlichen, sondern einer funktional-aufgabenbezogenen Begrenzung“, betonte das BAG. Auch das spreche dafür, eine Auflösung des Betriebsrats auszuschließen. Eine Auflösung wäre dann mit den Zielen der Mitbestimmung nicht vereinbar.

Für die Frage, ob noch ein Voll- oder nur noch ein Restmandat besteht, ist nach dem Erfurter Beschluss vom 24.05.2023 der Zeitpunkt maßgeblich, in dem das Gericht über den Auflösungsantrag entscheidet.

Ein Freibrief für pflichtwidriges Verhalten sei dies nicht, betonte das BAG. Denn der Ausschluss einzelner Mitglieder aus dem Betriebsrat sei auch dann noch möglich, wenn nur noch ein Restmandat besteht. Auch könnten die Mitglieder von sich her ihr Mandat niederlegen. Das Nachrücken früherer Ersatzmitglieder sei in beiden Fällen ausgeschlossen. „Das Restmandat wird dann vielmehr von den verbliebenen Mitgliedern wahrgenommen und besteht fort, solange noch mindestens ein Mitglied des Betriebsrats vorhanden und willens ist, es wahrzunehmen“, heißt es abschließende in dem Erfurter Beschluss.

Danach soll im Streitfall das Landesarbeitsgericht Hamm nochmals den von den Arbeitgeberinnen gestellten Hilfsantrag auf Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden prüfen.

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