BAG verweist auf betriebliche Regelung bei einem Notfallsanitäter

Einem Arbeitnehmer kann auch in seiner Freizeit das Lesen einer SMS von seinem Chef über den konkreten Arbeitsbeginn zumutbar sein. Sieht die betriebliche Regelung eines Rettungsdienstunternehmens vor, dass der konkrete Arbeitsbeginn für als Springer eingesetzte Notfallsanitäter einen Tag zuvor mitgeteilt wird, muss der Beschäftigte die Arbeitgeber-Weisung auch abrufen, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Mittwoch, 06.12.2023, veröffentlichten Urteil (AZ: 5 AZR 349/22). Kommt er dem nicht nach und erscheint dadurch gar nicht oder erst verspätet zur Arbeit, liege wegen unentschuldigten Fehlens eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vor.

Geklagt hatte ein Notfallsanitäter aus dem Raum Elmshorn in Schleswig-Holstein. Der seit 2003 bei einem Rettungsdienstunternehmens beschäftigte Mann absolvierte neben seinen regulären Diensten unter anderem auch sogenannte unkonkrete Springerdienste. Dabei handelte es sich um Tage ohne konkret benannten Dienstbeginn, in denen er als Springer eingeteilt war. Die geltende Betriebsvereinbarung sah vor, dass Arbeitnehmer bei solchen Springerdiensten einen Tag zuvor spätestens bis 20.00 Uhr über den konkreten Arbeitsbeginn und -ort informiert werden. Mitarbeiter hatten auch die Möglichkeit, über das Internet den aktuellen Dienstplan abzurufen.

Als die Arbeitgeberin für den 08.04. sowie im September 2021 kurzfristig einen Dienst besetzen musste, konnte sie den als Springer eingeteilten Kläger telefonisch nicht erreichen. Sie sandte ihm daher einen Tag zuvor eine SMS und eine E-Mail und wies ihn an, zu einer konkreten Uhrzeit zur Arbeit zu erscheinen. Der Sanitäter nahm die SMS nicht zur Kenntnis. Er kam daraufhin nicht und in einem ähnlichen weiteren Fall zu spät zur eingeteilten Arbeit.

Die Arbeitgeberin lehnte daraufhin eine Arbeitszeitgutschrift für den Kläger ab und erteilte ihm wegen Nichterscheinens beziehungsweise wegen eines verspäteten Arbeitsbeginns eine Abmahnung. Der Mitarbeiter sei verpflichtet, sich über den konkreten Beginn seiner Dienstzeit zu informieren. Die konkrete Dienstzeit werde entsprechend der Betriebsvereinbarung einen Tag zuvor bis spätestens 20.00 Uhr mitgeteilt, so die Arbeitgeberin

Der Notfallsanitäter gab an, dass er die SMS seines Chefs nicht gelesen habe. Ihm sei es auch nicht zuzumuten, ständig in seiner Freizeit auf sein Mobiltelefon zu schauen, um sich über die Arbeitszeiten zu informieren.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein in Kiel gab ihm mit Urteil vom 27.09.2022 noch recht (AZ: 1 Sa 39 öD/22). Weder müsse ein Arbeitnehmer in seiner Freizeit einen Telefonanruf seiner Arbeitgeberin annehmen, noch eine SMS lesen. Selbst über seine Freizeit entscheiden zu können, gehöre zu den „vornehmsten Persönlichkeitsrechten“, so das LAG. Bei dem Lesen einer dienstlichen SMS oder dem Lesen des Dienstplans im Internet handele es sich um eine „Arbeitsleistung“, zu der der Kläger in seiner Freizeit nicht verpflichtet sei.

Dem widersprach jedoch das BAG in seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 23.08.2023. Zwar müsse bei einer „Arbeit auf Abruf“ der Mitarbeiter nach dem Gesetz mindestens vier Tage zuvor über seinen Einsatz informiert werden. Ein Abrufarbeitsverhältnis bestehe hier aber nicht, da der Kläger von seinem Einsatz gewusst habe. Nur der konkrete Dienstbeginn und -ort seien ihm zunächst unbekannt gewesen.

Der Kläger habe auch gewusst, dass ihm nach der Betriebsvereinbarung einen Tag zuvor bis spätestens 20.00 Uhr der Dienstbeginn und -ort mitgeteilt werde. Er hätte daher die von der Arbeitgeberin versandte SMS auch in seiner Freizeit zur Kenntnis nehmen oder sich über das Internet über den konkreten Arbeitsbeginn informieren müssen. Dies gehöre zu den Nebenpflichten seines Arbeitsvertrags.

Er habe auch nicht „ununterbrochen“ sein Mobiltelefon auf Nachrichten von seinem Chef prüfen müssen. Es habe ausgereicht, sich am Vortag um 20.00 Uhr über den konkreten Dienstbeginn zu informieren. Dies beeinträchtige die Freizeit nur unwesentlich. Als Arbeitszeit sei das einmalige Checken des Mobiltelefons daher nicht zu werten.

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