LAG Nürnberg: Vor Druckkündigung muss Arbeitgeber aktiv vermitteln

Will die Mehrheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht mehr mit einer Kollegin zusammenarbeiten und droht ein Teil sogar einen Arbeitsplatzwechsel an, kann die Arbeitgeberin der unliebsamen Beschäftigten deshalb noch nicht kündigen. Bevor eine solche Druckkündigung ausnahmsweise wirksam sein kann, muss die Arbeitgeberin sich erst einmal aktiv vor die Arbeitnehmerin stellen, um den von den Kollegen aufgebauten Druck wieder abzuwenden, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 12.12.2023 (AZ: 7 Sa 61/23).

Im Streitfall ging es um eine heute 52-jährige, mit einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Chemielaborantin. Nach ihrer Rückkehr aus dem Erziehungsurlaub im Jahr 2005 eckte sie immer wieder mit Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzten an. Ein Laborleiter gab seine Leitung auf, eine weitere Mitarbeiterin wechselte in ein anderes Labor. Die Arbeitgeberin machte hierfür das Sozialverhalten der Klägerin verantwortlich.

Im November 2019 erlitt die Klägerin wegen eines massiven Burn-outs einen Zusammenbruch und war bis Oktober 2021 arbeitsunfähig erkrankt. Als bekannt wurde, dass die Frau wieder zur Arbeit zurückkehren werde, klagten mehrere Mitarbeiter über den von der Klägerin ausgehenden psychischen Druck und ihr manipulatives Agieren. Eine Befragung der Arbeitgeberin ergab, dass insgesamt sechs von zehn Labormitarbeitern sowie zwei weitere Beschäftigte aus einem angrenzenden Bereich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr für möglich hielten. Falls die Klägerin an ihrem Arbeitsplatz zurückkehren werde, schlossen die Mitarbeiter eine Kündigung oder einen erhöhten Krankenstand durch Stress nicht aus.

Lediglich neue Mitarbeiter sowie ein Betriebsrat enthielten sich der Befragung. Wegen des Drucks der Beschäftigten, und um einer Kündigungswelle in dem Labor zuvorzukommen, sprach die Arbeitgeberin gegen die Klägerin eine Änderungskündigung aus. Sie sollte nun in einem rund 90 Kilometer entfernten Betrieb arbeiten. Die sogenannte Druckkündigung sei gerechtfertigt, da ansonsten der Laborbetrieb gefährdet sei.

Das LAG gab der Klägerin jedoch recht. Damit ausnahmsweise eine Druckkündigung wirksam sein könne, müsse sich zunächst die Arbeitgeberin schützend vor die betroffene Arbeitnehmerin stellen und aktiv alles Zumutbare versuchen, „um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen“. Die Arbeitgeberin müsse Gespräche mit den die Drohung aussprechenden Arbeitnehmern führen und in gemeinsamen Beratungen moderieren. Sie müsse argumentativ deutlich gegenüber den Mitarbeitern machen, dass aus ihrer Sicht ein objektiver Anlass für eine Kündigung nicht besteht.

Hier habe die Arbeitgeberin aber noch nicht einmal die Mitarbeiter aufgefordert, eine Zusammenarbeit mit der Klägerin auszuprobieren. Nach der Befragung sei sie nicht vermittelnd tätig geworden. Die Änderungskündigung sei daher unwirksam. Der zugewiesene Arbeitsplatz sei zudem angesichts seiner Entfernung unzumutbar.

Bildnachweis: © Trueffelpix – Fotolia.com

Gesunde Arbeitskultur JETZT

Gesunde Arbeitskultur Jetzt

In puncto gesunder Arbeitskultur bin ich deutschlandweit, insbesondere in Baden-Württemberg tätig, vor allem aber in den Orten Dornhan, Rottweil, Horb am Neckar, Villingen-Schwenningen, Nagold, Oberndorf am Neckar, Altensteig, Sulz am Neckar, Schramberg, Dunningen, Eutingen im Gäu, Empfingen, Fluorn-Winzeln, Waldachtal, Starzach, Pfalzgrafenweiler, Balingen, Haigerloch, Bondorf, Mössingen, Trossingen.

Podcast Arbeitsrecht

In unserem Podcast Arbeitsrecht wollen mein Kollege Jürgen Sauerborn und ich unterhaltsam, kurzweilig und in leicht verständlicher Sprache über Wichtiges und Neues aus dem Arbeitsrecht und dem angrenzenden Sozialrecht informieren.

Monatlicher Newsletter

Monatlicher Newsletter von Thorsten Blaufelder

In meinem monatlich erscheinenden Newsletter berichte ich über Wissenswertes und Kurioses aus den Bereichen Arbeitsrecht, Mediation, Betriebliches Eingliederungsmangement, Coaching und aus meinem beruflichen Alltag.

Werden auch Sie Abonnent! Ganz unverbindlich und kostenlos…

Coaching Arbeitsicherheit Newsletter

 

Warum nicht mal Mediation probieren?

Vielleicht sollten es Streitparteien öfters mal mit Mediation versuchen. Ziel einer Mediation ist eine “win-win”-Lösung, bei der am Ende beide Streitparteien als Gewinner hervorgehen und eine eventuell langjährige Geschäftsbeziehung wertschätzend fortgesetzt werden kann.

Glas Konflikt Eskalationsstufen Mediation Blaufelder

 

Wenn´s nicht ums Recht, sondern ums Bier geht…

Bierbotschafter Thorsten Blaufelder Dornhan