LAG München verweist auf Kontrollaufgaben des Betriebsrats

Auch bei sogenannter Vertrauensarbeitszeit muss der Arbeitgeber einen Überblick über die geleisteten Arbeitsstunden haben.

Denn der Betriebsrat kann entsprechende Auskünfte verlangen, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) München in einem aktuell veröffentlichten Beschluss vom 11.07.2022 entschied (AZ: 4 TaBV 9/22). Dies sei erforderlich, damit die Arbeitnehmervertreter ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllen können.

Bei Vertrauensarbeitszeit können Beschäftigte weitgehend „kommen und gehen, wann sie wollen“. Ohne Kontrollen vertraut der Arbeitgeber darauf, dass sie ihre vertraglichen Pflichten erfüllen und die ihnen aufgetragene Arbeit erledigen. Insbesondere bei Angestellten führt dies dann häufig dazu, dass sie ihre vertragliche Arbeitszeit teils deutlich überschreiten.

Im Streitfall geht es um den Vertrieb in einem Telekommunikationsunternehmen. Hierzu heißt es in einer Gesamtbetriebsvereinbarung: „Die Mitarbeiter können unter Beachtung der betrieblichen Erfordernisse und der jeweiligen Kundenanforderungen (internextern) innerhalb des Arbeitszeitrahmens selbst bestimmen, wann sie die Arbeit aufnehmen und beenden. Dabei haben sie vorrangig die betrieblichen Belange zu beachten. Abweichungen von der Soll-Arbeitszeit sind durch die Mitarbeiter des Vertriebsaußendienstes eigenverantwortlich auszugleichen.“

Der hier klagende örtliche Betriebsrat erhält jeweils zur Monatsmitte eine „Saldenliste“ der Gleitzeitkonten des Vormonats. Weil auf diesen Listen die Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst fehlten, beantragte der Betriebsrat vor Gericht, das Unternehmen zur Auskunft zu verpflichten.  Die vereinbarte Vertrauensarbeitszeit stehe dem nicht entgegen. Diese gebe größere Freiheit hinsichtlich der Lage, nicht aber hinsichtlich der Länge der Arbeitszeit.

Wie nun das LAG München bestätigte, ist das Unternehmen zur Auskunft verpflichtet. Laut Betriebsverfassungsgesetz müsse der Arbeitgeber alle Informationen übermitteln, die der Betriebsrat zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt. Zu diesen Aufgaben gehöre auch die Kontrolle der Einhaltung der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes zur Dauer der Arbeitszeit und zu den Pausen. Dieses „betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis“ zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat werde durch die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit nicht beeinträchtigt.

Die Auskünfte zu geben, sei dem Unternehmen auch nicht unmöglich. „Die Tatsache, dass sie die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer nicht erfasst, steht dem Anspruch nicht entgegen.“ Zwar müsse ein Arbeitgeber dem Betriebsrat grundsätzlich nur solche Informationen bereitstellen, über die er auch verfügt. „Doch gilt dann etwas anderes, wenn der Arbeitgeber die notwendigen Daten nur deshalb nicht hat, weil er sie nicht erheben will“, heißt es in dem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 11.07.2022.

Die entsprechenden Informationen lägen bei den Arbeitnehmern, und der Arbeitgeber könne sie sich „unschwer beschaffen“. Im Sinne der Vertrauensarbeitszeit müsse er die gemachten Angaben ja nicht kontrollieren.

Zur Begründung verwies das LAG auch auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg, der am 14.05.2019 die Arbeitgeber zur Erfassung der täglichen Arbeitszeiten verpflichtet hatte (AZ: C-55/18). Erst nach Verkündung des LAG-Urteils hat am 13.09.2022 das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt entschieden, dass diese Pflicht für deutsche Arbeitgeber unmittelbar und sofort besteht, auch ohne gesetzliche Umsetzung (Az.: 1 ABR 22/21).

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