LAG Mainz: Arbeitgeber muss Ehrverletzung nicht dulden

Das Zeigen des „Stinkefingers“ hat im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen nichts zu suchen. Wurde ein Arbeitnehmer in der Vergangenheit bereits einschlägig abgemahnt, etwa wegen sexistischen Verhaltens gegenüber einer Arbeitskollegin, kann der dann ausgestreckte Mittelfinger auch nach einer über 31 Jahre dauernden Beschäftigung eine ordentliche Kündigung begründen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 18.08.2022 (AZ: 5 Sa 458/21). Der Arbeitgeber müsse solche „groben Beleidigungen“ am Arbeitsplatz gegenüber Beschäftigten nicht durchgehen lassen.

Im Streitfall war der Kläger seit über 31 Jahren in einer Eisengießerei beschäftigt. Der heute 60-Jährige ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Das Arbeitsverhältnis war in den letzten Jahren gestört. Der Arbeitnehmer erhielt insgesamt sechs Abmahnungen. Einmal wegen Arbeitsverweigerung, dann zwei Abmahnungen wegen unentschuldigten Fehlens.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hielt zudem eine Abmahnung wegen sexistischen Verhaltens für gerechtfertigt. Danach habe der Kläger eine Kollegin bei Schichtende aufgefordert, beim Ausloggen aus einer Produktionssoftware nicht nur ihre Personalnummer einzugeben, sondern auch „mit wem sie nachts schläft und mit wem sie bumst“.

2021 kam es zu zwei weiteren beleidigenden Vorfällen, bei denen der Beschäftigte zwei Kollegen, darunter ein Vorgesetzter, den ausgestreckten Mittelfinger zeigte.

Für den Arbeitgeber war das Maß nun voll. Er kündigte dem Mann ordentlich wegen des Zeigens des „Stinkefingers“. Außerdem habe er den Arbeitsplatz verlassen, obwohl ihm dies ein Vorgesetzter untersagt hatte.

Der Kläger hielt die Kündigung für überzogen. Eine Abmahnung hätte ausgereicht. Er sei zudem provoziert worden, da er als „Jude“ bezeichnet wurde. Dass einer der Kollegen sein Vorgesetzter sei, sei ihm nicht bekanntgemacht worden.

Doch das LAG bestätigte die ordentliche Kündigung. Dem Arbeitgeber sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten. Grobe Beleidigungen insbesondere gegenüber Vorgesetzten und damit Repräsentanten des Arbeitgebers stellten eine erhebliche Pflicht- und Ehrverletzung dar, die sogar eine fristlose Kündigung begründen könnten. Der ausgestreckte Mittelfinger sei eine „grobe Beleidigung“.

Die Rolle des Vorgesetzten sei klar gewesen, weil er weisungsbefugt gewesen sei.

Dass die Kollegen den Kläger als „Jude“ bezeichnet hätten und ihn damit gezielt provozieren wollten, sei nicht belegt, so das LAG.

Vielmehr habe der Kläger in einem Fall den Mittelfinger gezeigt, weil er sich über die Arbeit geärgert und seinen Arbeitsplatz dann verlassen habe.

Hinzu komme, dass der Kläger bereits wegen des sexistischen Verhaltens gegenüber einer Arbeitskollegin einschlägig abgemahnt wurde. Dass mit einer weiteren Abmahnung der Kläger sein Verhalten zukünftig ändere, sei daher nicht zu erwarten.

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