BAG klärt Fristen und Fristbeginn auch für Tarifverträge

Sind bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Urlaubsansprüche offen, muss der Arbeitnehmer eine finanzielle Abgeltung spätestens bis Ablauf der drei nachfolgenden Kalenderjahre geltend machen. Hier greift die entsprechende gesetzliche Verjährung, urteilte am Dienstag, 31.01.2023, das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt (AZ: 9 AZR 456/20). Nach einem weiteren Urteil können die Tarifparteien auch andere Fristen vereinbaren (AZ: 9 AZR 244/20).

Beide Entscheidungen gelten nur, wenn der Arbeitgeber nicht rechtzeitig dazu aufgefordert hatte, den Urlaub zu nehmen.

Im ersten Fall konnte danach ein Fluglehrer aus Niedersachsen einen Teilerfolg erzielen. Seine 2010 aufgenommene Festanstellung endete im Oktober 2015 und wurde in eine freiberufliche Honorarbeschäftigung umgewandelt. Erst 2019 forderte er noch aus der Festanstellung die Abgeltung noch nicht genommenen Urlaubs.

Hintergrund ist eine 2018 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg eingeleitete Änderung der Rechtsprechung. Zuvor ging nach deutscher Rechtsprechung der Urlaubsanspruch zum Ende des jeweiligen Jahres oder spätestens Ende März des Folgejahres unter. Der EuGH urteilte jedoch, dass der Urlaub nur dann verfallen darf, wenn der Arbeitgeber angeboten oder dazu aufgefordert hatte, ihn auch zu nehmen (AZ: C-619/16 und C-684/16). Dem war am 20.12.2022 das BAG gefolgt (AZ: 9 AZR 266/20 sowie zur Urlaubsabgeltung nach langandauernder Krankheit (AZ: 9 AZR 245/19). Dabei hat laut EuGH die Gewährung freier Tage Vorrang vor einer finanziellen Abgeltung.

Nach dieser Rechtsprechung kann der Urlaubsanspruch selbst ohne Arbeitgeber-Aufforderung während des laufenden Arbeitsverhältnisses nicht verjähren. Weil mit Ende des Arbeitsverhältnisses die Gewährung von Urlaub nicht mehr möglich ist, geht der Urlaubsanspruch dann aber in einen Abgeltungsanspruch über.

Anders als von Arbeitgebern teils befürchtet, unterliegt nach den neuen Urteilen dieser Abgeltungsanspruch der Verjährung. Konkret entschied das BAG, dass hier die gesetzliche Verjährung von drei Kalenderjahren gilt. Die Frist endet also mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das dem Ende des Arbeitsverhältnisses folgt.

Für Altfälle urteilte das BAG, dass Arbeitnehmern wegen der früheren Rechtsprechung den Arbeitnehmern eine Klage zunächst nicht zumutbar war. Dies habe sich erst mit dem EuGH-Urteil geändert. Die Frist von drei Kalenderjahren beginnt hier daher erst Anfang des Folgejahres 2019 und endet mit Ablauf des Jahres 2021.

Für das Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis endete, galten allerdings auch nach früherer BAG-Rechtsprechung die kurzen früheren Verfallsfristen nicht. Daher greift hier auch schon vor dem EuGH-Urteil die Drei-Jahres-Regel.

Im Streitfall betrifft dies das Jahr 2015; hier war im Klagejahr 2019 der Anspruch auf Urlaubsabgeltung verjährt. Für die Jahre 2010 bis 2014 muss der Arbeitgeber die nicht genommenen Urlaubstage dagegen noch auszahlen.

Im zweiten Fall eines Zeitungsredakteurs aus Nordrhein-Westfalen hatten die Tarifparteien abweichende Verjährungsregeln vereinbart. Das BAG bekräftigte, dass dies zulässig ist. Auch hier gelte in Altfällen wegen der früheren Rechtsprechung aber der Vertrauensschutz, so dass die tariflichen Fristen frühestens Anfang 2019 beginnen. Ausgenommen ist aber auch hier das Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis geendet hat.

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