LAG Chemnitz kippt fristlose Kündigung eines Tankstellenmitarbeiters

Löst ein Tankstellenmitarbeiter für sich das Pfand für auf dem Betriebsgelände weggeworfene Flaschen bei seinem Arbeitgeber ein, muss dies nicht zu einer fristlosen Kündigung führen. Denn hat der Arbeitgeber zuvor keine Weisung erteilt, wie mit den in den Müll geworfenen Pfandflaschen zu verfahren ist, ist das Versilbern des Leergutes zugunsten des eigenen Portemonnaies kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung, entschied das Sächsische Landesarbeitsgericht (LAG) in Chemnitz in einem am Mittwoch, 31.05.2023, veröffentlichten Urteil (AZ: 2 Sa 357/21).

Der Kläger war als Verkaufsmitarbeiter einer Tankstelle mit Shop angestellt. Kunden kauften dort regelmäßig Getränke in Pfandflaschen und warfen das Leergut oft gleich vor Ort in den Müll.

Als eine neue Mitarbeiterin den Tankstellenpächter darüber informierte, dass der Kläger die leeren Pfandflaschen aus dem Müllbehälter fischte und sich das Pfand auszahlen ließ, reagierte der Arbeitgeber mit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Der Vorwurf: Das unerlaubte private Einlösen des Flaschenpfandes stelle einen Diebstahl und damit eine schwere Arbeitspflichtverletzung dar. Die Flaschen hätten sich als „herrenlose Gegenstände“ auf dem Tankstellengelände befunden und seien damit in das Eigentum des Unternehmens übergegangen, so der Arbeitgeber. Laut der Kollegin habe der Kläger sogar andere auch noch aufgefordert, während der Arbeitszeit ebenfalls leere Pfandflaschen einzusammeln und das Pfand einzulösen.

Das Vertrauen in den Kläger sei „unwiderruflich“ erschüttert. Der Kläger könne nicht einfach davon ausgehen, dass auf dem Betriebsgelände gefundene Pfandflaschen in sein Eigentum übergehen. Er müsse zumindest nachfragen, ob nicht der Arbeitgeber ein Recht darauf habe.

Der Kläger nahm die ordentliche Kündigung an, nicht aber die fristlose Entlassung.

Mit Urteil vom 28.11.2022 erklärte das LAG die fristlose Kündigung für unwirksam. Es könne bereits nicht festgestellt werden, ob hierfür ein „an sich geeigneter wichtiger Grund“ vorgelegen habe.

Doch selbst wenn dies unterstellt werde, sei die Kündigung unverhältnismäßig.

Zwar könnten „gegen das Vermögen des Arbeitgebers gerichtete Handlungen des Arbeitnehmers“ ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Bei korrekter rechtlicher Wertung könne auch davon ausgegangen werden, dass der Kläger dem Arbeitgeber zustehende Vermögenswerte entzogen habe, indem er die leeren Pfandflaschen für sich aus den Müllbehältern entnommen habe.

Ob dies aber rechtswidrig geschah, könne nicht festgestellt werden, so das LAG. Denn der Kläger habe angeführt, dass der Vorgänger des Tankstellenpächters gegen das Einsammeln der Pfandflaschen keine Einwände gehabt habe. Der jetzige Arbeitgeber habe dies nicht widerlegen können. Er habe auch keine Weisung erteilt, wie mit den auf dem Betriebsgelände gefundenen Pfandflaschen zu verfahren sei. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass das Einlösen des Flaschenpfandes zulässig gewesen sei.

Doch selbst wenn man hier von einem wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung ausginge, wäre diese unverhältnismäßig. Dass die aus dem Müll gefischten Pfandflaschen im Eigentum des Arbeitgebers stünden, sei nicht so offensichtlich, wie der Arbeitgeber behaupte. Denn auch Kommunen würden nicht gegen Pfandflaschensammler vorgehen, die die Flaschen aus öffentlichen Müllbehältern holen.

Der Arbeitgeber hätte daher eine Weisung zum Sammeln von Pfandflaschen erteilen und eine Abmahnung aussprechen  müssen, so das LAG Chemnitz.

Bildnachweis: © Dan Race – Fotolia.com

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