LAG Hannover: Kein Grund für Zweifel an ärztlichem Attest
Eine Krankschreibung genau bis zum Ende eines Arbeitsverhältnisses muss noch keine berechtigten Zweifel an der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründen. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer einen Tag nach Ablauf der Krankschreibung wieder gesund ist und eine neue Beschäftigung aufnimmt, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen in Hannover in einem am Dienstag, 04.07.2023, bekanntgegebenen Urteil (AZ: 8 Sa 859/22).
Gegen das Urteil wurde inzwischen Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt eingelegt (Az.: 5 AZR 137/23).
Im konkreten Fall war der Kläger seit Mitte März 2021 als Helfer bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Seit dem 21.04.2022 wurde der Mann nicht mehr eingesetzt. Als der Kläger am 02.05.2022 eine für fünf Tage geltende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seines behandelnden Arztes vorlegte, wurde ihm ordentlich zum Monatsende gekündigt.
Der Zeitarbeiter legte weitere Krankenscheine vor, so dass ihm genau bis Ende des Arbeitsverhältnisses die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde. Der Arzt hatte dem Kläger eine akute Infektion der oberen Atemwege und zuletzt auch starken seelischen Stress attestiert. Einen Tag nach Ende der Arbeitsunfähigkeit trat der nunmehr gesund gewordene Kläger ein neues Beschäftigungsverhältnis an.
Die Zeitarbeitsfirma zweifelte die ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit an und verweigerte die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die Tatsache, dass der Zeitarbeiter nach Erhalt der Kündigung weitere Krankschreibungen vorlegte, die genau bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses reichten, begründe Zweifel an der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
Sowohl das Arbeitsgericht Hildesheim als auch das LAG urteilten, dass der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet ist. Zwar könne der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert werden, wenn sich der Arbeitnehmer nach Erhalt der Kündigung sich „postwendend“ krank meldet, so das LAG. Dies gelte insbesondere dann, wenn der gesamte Zeitraum der Kündigungsfrist lückenlos durch mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen abgedeckt werde.
Hier habe sich der Kläger aber erst krank gemeldet und dann die Kündigung des Arbeitgebers erhalten. Dass der Kläger wegen der Kündigung seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht habe und die Krankschreibung fehlerhaft sei, sei damit nicht ausreichend belegt.
„Allein die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer bis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, am unmittelbar darauffolgenden Tag gesundet und bei einem anderen Arbeitgeber zu arbeiten beginnt, erschüttert in der Regel ohne Hinzutreten weiterer Umstände den Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht“, urteilte das LAG am 08.03.2023.
Achtung: Die Entscheidung wurden durch das BAG aufgehoben! -> Link
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