EuGH: Interessenkonflikte können Abberufung begründen
Ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter muss seine Tätigkeit ohne berufliche Interessenskonflikte ausüben können. Wird er zusätzlich mit anderen Aufgaben oder Pflichten betraut, bei denen er selbst „Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten“ in einem Unternehmen festlegt, kann dies der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragten entgegenstehen, urteilte am Donnerstag, 09.02.2023, der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (AZ: C-453/21 und C-560/21). In solch einem Fall könne ausnahmsweise die Abberufung als Datenschutzbeauftragter gerechtfertigt sein, so die Luxemburger Richter.
Nach dem Bundesdatenschutzgesetz und der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) müssen Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten vorweisen, wenn sich in der Regel mindestens 20 Mitarbeiter ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen.
Arbeitgeber können dann einen internen oder externen Datenschutzbeauftragten beauftragen. Die Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten ist nach deutschem Recht nur „aus wichtigem Grund“ zulässig. EU-Recht ist weniger streng. Danach darf die Abberufung nicht erfolgen, nur weil der Datenschutzbeauftragte seine Aufgaben erfüllt.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte hierzu zwei Verfahren dem EuGH zur Prüfung vorgelegt. Im ersten Fall ging es um einen Betriebsratsvorsitzenden des Dresdner Halbleiterherstellers X-FAB, der gleichzeitig Datenschutzbeauftragter des Unternehmens war. Auf Ersuchen des Thüringer Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit berief der Arbeitgeber seinen Datenschutzbeauftragten mit sofortiger Wirkung von seinem Amt ab. Mit seiner gleichzeitig ausgeübten Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzender könne er sein Amt als Datenschutzbeauftragter nicht unabhängig ausüben.
Auch im zweiten Fall hatte der Arbeitgeber, der Kommunale Zweckverband für Informationsverarbeitung Sachsen (KISA), Interessenskonflikte bei seinem betrieblichen Datenschutzbeauftragten ausgemacht und ihn abberufen. Dieser sei in seiner beruflichen Tätigkeit selbst mit der Verarbeitung personenbezogener Daten befasst. Er könne aber sein Amt nicht unabhängig ausüben, wenn er selbst seine eigene Tätigkeit überwachen müsste.
Das BAG wollte nun wissen, ob EU-Recht der Abberufung der Datenschutzbeauftragten entgegensteht und wie dieses sich zu dem in dieser Hinsicht strengeren deutschen Recht verhält.
Der EuGH urteilte, dass nationale Vorschriften strengere Voraussetzungen für die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten vorsehen dürfen. Allerdings müsse gewährleistet sein, dass dieser die in der DSGVO vorgeschriebenen Datenschutzaufgaben unabhängig erfüllt.
Sei er neben seiner Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter selbst im Auftrag des Arbeitgebers mit der Verarbeitung personenbezogener Daten betraut, könne ein Interessenkonflikt vorliegen. Die Abberufung als Datenschutzbeauftragter könne dann gerechtfertigt sein.
Das nationale Gericht, hier das BAG, müsse daher alle relevanten Umstände prüfen, die einen Interessenskonflikt begründen könnten. Es müsse gewährleistet sein, dass der Datenschutzbeauftragte die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderliche berufliche Qualifikation besitzt und seine Aufgaben im Sinne der DSGVO erfüllt.
Bereits am 25.08.2022 hatte das BAG geurteilt, dass Deutschland für betriebliche Datenschutzbeauftragte einen Sonderkündigungsschutz ähnlich wie bei Betriebsratsmitgliedern vorsehen darf. (AZ: 2 AZR 225/20). Es verstoße weder gegen EU-Recht noch gegen die im Grundgesetz verankerte Berufsfreiheit, wenn Arbeitgeber einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten nicht ordentlich kündigen können.
Dabei hatten die Erfurter Richter auf Grundlage eines EuGH-Urteils vom 22.06.2022 entschieden (AZ: C-534/20). Dieser hatte betont, dass auch die DSGVO die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten stärken wolle. Jedem Mitgliedstaat stehe es dabei frei, strengere Vorschriften für die arbeitgeberseitige Kündigung eines Datenschutzbeauftragten festzulegen.
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